926. Das Pelzweible

[599] In der Nähe von Schlatt liegt ein Hof, Rommenthal genannt, und nahe dabei eine alte Burg gleichen Namens. Dort geht ein Weibchen um, welches das Pelzweible heißt, und hütet eine Grube, das Pelzweiblesloch genannt, darin der Schatz liegt, der bis zur Erlösung des Pelzweibles ruhen muß. Die Erlösung beruht nicht auf so schweren Proben wie jene der verschiedenen Jungfrauen, die sich in Schlangen verwandeln, was manche erst dann tun, wenn sie bereits aus ihrem Jungfernstande erlöst sind. Das Pelzweible verlangt keine Küsse. Einem Amtmann zu Süßen erschien es einstmals und flehte ihn um die Erlösung an. Es werde ihm in dreimaliger Verwandlung erscheinen, sprach es, er möge nur Mut haben und jede der drei Gestalten mit einer Rute berühren. Der Amtmann, der noch jung und ledig war, fühlte sich sehr beherzt, hatte auch in der Amtsstube, den Bauern gegenüber, sich stets bis über den Mut hinüber mutig gezeigt. Jetzt begannen die Proben; das Pelzweible verwandelte sich vor seinen sichtlichen Augen in eine Krott und empfing einen Schlag; darauf verwandelte sich die Krott in eine große Schlange, das war dem beherzten Amtmann schon außer dem Spaß, doch als die Schlange zischend auf ihn zuschoß, wehrte er sich seiner Haut, hieb sie mit der Rute über den Kopf, und weg war die Schlange. Plötzlich aber stand ein Pudel vor ihm mit feurigen Augen, und Feuer aus dem Rachen pustend, und groß wie ein Kalb, und sperrte den Rachen gegen ihn, und machte Miene, ihm die Nase abzubeißen; da fiel dem Amtmann das Herz in die Kniekehle und die Rute aus der Hand, und er wandte sich und entfloh auf seinem Pferde, das er vorsorglich[599] gesattelt neben sich gestellt, und der Pudel schoß hinter ihm her und hatte sich ganz wütig. Der Amtmann hatte von diesem Erlösungsversuch fast den Tod und hat all sein Lebetag kein Weible mehr erlösen mögen, sondern ist ledigen Standes verblieben.

Quelle:
Ludwig Bechstein: Deutsches Sagenbuch. Meersburg und Leipzig 1930, S. 599-600.
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