936. Reißenstein und Riese Heimen-Stein

[604] Eine Meile weit von der Teck in der Schwäbischen Alb, die nicht mit den Alpen der Schweiz und Tirols zu verwechseln, sondern ihren Namen von dem weißen Gestein, womit die Äcker der rauhen Gegend bedeckt sind, führen soll, hebt sich die Burgtrümmer des Reißenstein hoch auf einem steilen Felsen; dieser Berg samt der Burg hat früher der Riesenstein geheißen, und ein Riese des Namens Heim hat auch die Burg erbaut. Dieser Riese Heim hauste und haust noch als Geist in einer langen Felskluft, dem Heimenstein, dem Reißenstein gerade gegenüber. In dieser Höhle hütet der Riese noch immer seinen Schatz. Als er den Riesenstein mit Hülfe der Zwerge gebaut hatte, fehlte am obersten Fenster außen noch ein Nagel, da faßte er den ersten besten seiner Hülfsknechte beim Kragen, hielt ihn zum Fenster hinaus und ließ ihn, so zwischen Himmel und Erde schwebend, den Nagel einschlagen, dann stellte er ihn sachte wieder auf die Beine und sprach mit Lachen: Bravo, Männchen, bravo!

Es hat auch sonst noch einen Riesen Heim gegeben, der hauste im Inntale, tötete einen schädlichen Drachen, gewann des Landes Herrschaft, erbaute über den Inn eine große Brücke und gründete an ihr einen Ort, der wurde hernachmals von der Brücke Innsbruck genannt, ließ sich dann taufen und gründete das Kloster Wilten. Allda liegt dieser Riese Heim auch begraben, das Grab ist vierzehn Schuh und drei Zwergfinger lang.

Zu Hirsau ist eine Riesenkapelle, da liegt der Riese Erkinger auch in einem vierzehn Schuh langen Grabe, und gehen von dem Erkinger viele Sagen.

An der Murg gab es auch Riesen, die wurden Rotmäntel genannt und das Gundesvolk.

Quelle:
Ludwig Bechstein: Deutsches Sagenbuch. Meersburg und Leipzig 1930, S. 604.
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