Capitul XI
Die Magd fängt auch an, zu disputieren

[34] Auf diese Antwort des Herrn Lorenzen kam die Magd, welche wir zuvor ausgezogen hatten, und forderte ihren Abschied. »Herr«, sagte sie, »ich mag bei meiner Treu nicht mehr bei Euch bleiben. Ihr meinet, ich sei gar eine Hure. O bildet Euch nur solche Sachen von mir nicht ein! Ich bin ein ehrlich Mensch, und meine Mutter hat manchen sauren Tritt tun müssen, denn sie handelte mit Essig, und die Studenten zu Linz werden ihr's mit großem Ruhm nachzusagen wissen, daß sie die ganze Zeit, weil sie ihnen ihre Hemden, Halskrausen und Schnupf-Servet gewaschen, sich allezeit wohlgehalten habe. So war auch mein Vater ein vornehmer, wohlgeschickter und hochansehnlicher Mann.« »Hörst du«, fiel ihr Herr Lorenz in die Rede, »wer war er denn?« »Erstlich«, sagte sie, »ist er ein Müller gewesen. Da war er ein Vornehmer, denn er nahm den Leuten das Mehl allezeit vor hinweg. Danach so war er ein Wohlgeschickter, wie ich ihn zuvor geheißen habe, denn als ihm das Müllerhandwerk nicht mehr zuschlagen wollte, so brauchte ihn die Herrschaft zu Puchheim für einen Ordinariboten, da war er ein wohlgeschickter, denn man schickte ihn bald auf Lambach, bald auf Wels, bald auf Vöcklabruck und bald auf Oberweis bei Gmunden und so weiter im Ländel herum. Wie er nun drei Jahr ein wohlgeschickter Mann gewesen, so wurde er letztlich hochansehnlich, denn man ließ ihn, weiß nicht weswegen, an den Galgen hängen, und wer ihn sehen wollte, mußte den Kopf in die Höhe heben. Also war er, wie ich Euch gesagt habe, hochansehnlich, wie Ihr Euch selbst leicht werdet einbilden können.«

Über diese Erzählung der Magd lachte Herr Lorenz und sagte: »Du Teufelshure, ich lasse dich nicht weg, und sollst du mir Hirschhörner auf den Kopf hinaufzaubern. Alle Menschen von fröhlichem Gemüte habe ich lieb, du hast ein fröhliches Gemüt, ergo so habe ich dich auch lieb. Für die Kurzweil will ich dir drei Taler schenken. Dafür kaufe dir einen neuen Kittel, und wenn du mir den bloßen Hintern zeigst, so lasse ich dir ein schönes Mieder dazu machen. Ihr Narren, wenn man sich ein wenig mit euch vexieret, so begehret ihr stracks euren Abschied. Ich lobe meinen Hansen, das wird ein Kerl von Fortun werden, er bleibt gerne bei mir und disputiert wacker von der Religion. Wenn du nun auch etwas vorzutragen hast, so steht dir die Gelegenheit offen. Ich will dich unterrichten und alle Zweifel auflösen, sie seien gleich groß oder klein, hoch oder niedrig, kurz oder lang, weit oder eng, lang oder breit, alt oder neu. Denn ich bin Doctor und Professor auf meinem Schlosse, derohalben frag ich dich, was Glaubens bistu?« »Herr«, sagte sie, »ich bin Eures Glaubens.« »Nu«, sagte er, »ich glaube, daß du eine Hure seiest.« »Ei ja«, antwortete die Magd, »so glaube ich, daß Ihr ein Schelm seid.« »Ha«, sagte Herr[35] Lorenz, »du bist meines Glaubens, dich habe ich auch lieb. Wenn der Hans so geschwinde antworten könnte als wie du, ich ließe ihn morgen auf Ingolstadt hinaufziehen. Aber nun frage du mich auch etwas.« »Herr«, sagte sie, »was ist das: Der Zweifuß saß auf dem Dreifuß und machte einen Einfuß. Da kam der Vierfuß, riß ihn über den Dreifuß und nahm ihm den Einfuß. Könnt Ihr's erraten?« »Ha«, sagte er, »du fragst hohe Religions-Scrupel aus mir. Es ist ein Schuster, der saß auf dem dreibeinigen Stuhl. Er machte einen Schuh, da kam der Hund und riß ihn vom Stuhl, daß der Hundsfutt den Arsch in die Höhe reckte, als wollte er damit stellatim gehen, nahm ihm also den Schuh weg, und so habe ich deine närrische Frage beantwortet. Morgen aber sollst du dafür einen Häring haben. Mache mir das Bett fein gut, und du, Hans, lies ein Capitel oder zwei aus dem Simplicissimo und erzähle mir fein hübsch, wie es ihm bei dem faulen Dragoner gegangen. Lebte derselbe Dragoner noch, ich wollte ihn zu meinem Haushofmeister und noch dazu zum Vize-Lorenz hinter der Wiesen machen.«

Quelle:
Johann Beer: Das Narrenspital sowie Jucundi Jusundissimi Wunderliche Lebens-Beschreibung. Hamburg 1957, S. 34-36.
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