[315] RANZAU allein.
Geh' hin, und setze an die eigne Rache
Des Landes Ruhe und den heil'gen Frieden.
Mich treibt ein Höh'res! Schlägt dein elend Herz
Nur eignen Hasses kleinlichem Gefühl,
So wacht das meine für die Tausende,
Die in die Quelle der Vergangenheit,
In ihres Ahnenblutes bleichen Strom
Den Namen tauchen, und ihn vielbegabt,
Gewappnet gegen manchen Schlag des Lebens,
Zurück empfangen. Solch ein heilig Erbtheil
Soll kein Verweg'ner mir und Andern schmälern.
Mein Leben setz' ich d'ran, es zu erhalten.
Auf und nieder gehend.
Ich will das Ziel nicht in die Ferne rücken,
Das Nächste ist sein Sturz. Der müden Hand
Des kranken Königs dürfen wir dann freilich[315]
Des Landes Zepter nicht allein vertrau'n.
Wer dann der Helfer sei? – Ich denke wohl,
In solchen Zeiten gilt der kräft'ge Mann.
Und wenn ein Schiff im Sturme schwankt, vertraut
Sich Jeder dem am liebsten, der das Steuer
Mit tücht'ger Hand zu lenken weiß; da schweigt
Der stille Neid und die verjährte Feindschaft,
Denn Rettung ist das Nächste. Bietet doch
Jetzt heimlich dieses stolze Rußland selbst,
Des klugen Günstlings kühne Plane fürchtend,
Zu seinem Sturze Rath und Hülfe mir,
Mir, seinem alten Feind. Ich will sie nicht!
Ich weiß, wie Katharina lohnt; ich weiß,
Wie gern die Stolze auf den will'gen Nacken
Der Diener zu ersehnten Zwecken steigt
Und dann mit kaiserlichem Fuß die Treuen,
Die sie emporgeführt, ins Elend stößt.
Und wär' ihr Dank auch sicher wie ihr Schutz,
Den innern Feind soll uns kein Fremder tilgen;
Wir wollen Schlimmes nicht mit Schlimm'rem tauschen.
Sinnend stehen bleibend.
Könnt' ich es selber nur vollbringen. Könnt' ich
Allein mit eigner Hand den luft'gen Bau
Des bürgerlichen Dünkels niederschmettern.
Dürft' ich Gefahren mich entgegenstellen
Und mit den Waffen angeborner Rechte,
Mit eignem Muth und eignen Kräften fechten.
Ich darf es nicht, muß forschen, schleichen, listig
Mich zu Parteien halten, falschen Gegnern
Die Hand vertraulich drücken, denen ich[316]
In bessern Zeiten kaum zu leichtem Gruß
Die kühnen Blicke zugewendet hätte.
Vor Allem ist mir dieser Kön'gin Witwe
Entsetzliche Gemeinschaft tief verhaßt.
Längst kenn' ich ihre Plane, weiß, wie schlau
Sie diesen Köller und noch manchen Bessern
Mit leisen Fäden kräftig sich verband.
Mit dem Geheimniß schmeichelt sie die Schwachen
Sich in ihr Netz. Dem Mächtigen vertraut
Der Nied're gern, und mit der Kön'gin Mutter
Gefahren theilen, mindert die Gefahr.
So schwirrt der Unzufried'nen feiler Schwarm
Um dieser Wintersonne Majestät.
Weh' uns! wenn uns ihr heuchlerischer Strahl
Den Lenz erträumter Zukunft bringen soll.
Von allen Feinden, die das arme Dänmark
In seinem treuen Schooße hegt, ist keiner
Verderbenbringender als sie. Mit Abscheu
Seh' ich der gräßlichen Nothwendigkeit
Entgegen, die mich drängend zu ihr treibt.
Mich weg von ihr und ihrer ganzen Schar
Mit festem Selbstgefühl zu wenden, wag' ich
Das Schwerste nun, das Letzte, Aeußerste.
Ich werde vor ihn treten, werd' ihm sagen,
Was uns bewegt. Ich will ihn ahnen lassen,
Was ihn bedräut, und –
EIN KAMMERDIENER die Thür öffnend.
Eure Excellenz![317]
RANZAU.
Ich komme! – Wie belastet nun auf einmal
Mein Vorsatz mir das Herz. Bei Gott, ich zitt're!
Doch nicht vor ihm, – vor Unmuth nur, – hinein!
Er soll gebeugt, ich will der Stolze sein.
Ab.
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