Funfzehnte Scene.

[372] Mathilde. Struensee.


MATHILDE.

Das wolltet ihr? Wär's möglich, Struensee?

Vergessen wollt ihr, was ich euch gewesen,

Was ihr mir war't? Geht, geht, und brüstet euch

Mit eurer stolzen, männlichen Entsagung.[372]

Spielt eure Heldenrolle! In der That,

Es ist sehr heldenhaft, in Sturmesnöthen

Sich rettend, von dem Steu'r zu flieh'n, indeß

Ein angstvoll Weib auf ödem Schiff zurückbleibt,

Und Hände ringend in das off'ne Grab

Verlassen blickt in die empörten Tiefen!

STRUENSEE.

O Königin!

MATHILDE.

Wollt ihr mit diesem Laut

Die Stimme wecken meines stillen Dankes?

Ihr nennt mich Königin? Ich bin es erst

Seit ihr, ein Mann der Hülfe, mir erschienen,

Dem fremd und elend war ich auf dem Thron,

Des Königs kronbelastetes Gemahl,

Doch nur der Schatten einer Königin.

Mit redlichem Gefühl, mit klugem Geist

Habt ihr des Gatten Herz mir zugewendet,

Habt mir auf das gekränkte Haupt die Krone

Gesetzt, die nicht ein Scheinbild ist der Macht.

Und süße Bürde ward die Last der Herrschaft,

Denn wunderbar trug einen schnellen Lohn

Der Wille in sich zu erhab'nen Thaten.

Er lachte schon im stillen Schooß der Brust

Mich glänzend an mit hellen Kindesaugen,

Und freudig hofft' ich, euch zur Seite sollt' er

Zum Cherub wachsen glänzender Erfüllung.

Geht, und betrügt mich nun um diese Hoffnung![373]

Sagt nicht, sie sei verloren; unser Wille

Sei diesem Volk ein Abscheu! Nur den Feinden

Ist er's, nicht dieser Menge, die verblendet

Die Augen von dem Glanz des Lichtes wendet.

Seid ihr der Zukunft Lenker, daß ihr flieht

Und eurer Saat entsagt, und wankend ruft:

Sie geht nicht auf zur Ernte. Nur die Zeit,

Nur der verschwieg'ne Bund der Elemente,

Scheinbare Ruhe wider frost'gen Feind,

Beherzt Entwickeln, wenn die Sonne scheint,

Reift, wie im Schooß der Erde stille Saaten,

Der Kön'ge Willen und der Männer Thaten.

STRUENSEE.

Vergebens ist's.

MATHILDE.

Und wenn's vergebens wäre,

Werd' ich nicht ärmer um die liebste Hoffnung,

Geht ihr hinweg, und raubt ihr mir nun auch

Den einzig theuren Freund? Was ist das Herz

Des Königs und sein Lieben? Darf ich mich

Vertrauend lehnen an dies schwanke Rohr?

Vielleicht bin ich in meiner Damen Mitte,

Verkauft an meine königliche Feindin,

Verrathen von den Großen meines Hofs.

Sie werden endlich den verstellten Grimm

Vertauschen mit des Hasses off'nen Waffen;

Der Bogen ist gespannt, und Pfeil auf Pfeil

Wird abgedrückt, kein Schild des edlen Freundes[374]

Empfängt abwehrend das Geschoß, – es trifft,

Und einsam brechen wird mein britisch Herz.


Da Struensee eine Bewegung des Entsetzens macht.


Ja, es wird brechen, und es hatte doch

Auf euch gezählt im Leben und im Tode.

Seit mir ein frühes Grab den holden York,

Der Brüder theuersten, entriß, hat Keiner

So ganz dies Herz geschaut, so ganz verstanden

Wie ihr. Ich ließ euch arglos in die Tiefe

Der Seele sehen; wägte ängstlich nicht

Das Recht der Kön'gin und des Unterthans!

Gewähren durft' ich, was ich euch gewährte,

Denn euren Blicken traut' ich, wie der Schiffer

Den Sternen traut, die auf bewegter Fahrt

Ihm ohne Wandel treu und still geleuchtet.

Es ist nicht möglich, Struensee, sie können

Mir nicht gelogen haben, können's nicht!

Ihr bleibt, müßt bleiben. Werdet es nicht dulden,

Daß dieser Ranzau höhnend sich erhebt,

Daß sich der blöde Sohn Julianens rächend

Den Antheil fordert an des Staates Herrschaft.

Noch giebt es Mittel, den empörten Muth

Der Feinde zu bezähmen, dieses Tages

Unsel'ge Schwäche wieder gut zu machen.

Wir können viel, wenn wir, zusammen einig,

Das Große wollen. Laßt uns nicht vereinzelt

Ein Spott der Feinde werden! Struensee,

Könnt ihr dem Flehen eurer Königin

Und ihren Thränen widersteh'n? O sagt's,

Mit einem Wort, ihr bleibt! – –[375]

STRUENSEE.

Was kann ich sagen,

Als daß ich ewig euer Sklave bin.

Laßt mich den Tod aus euren Augen trinken,

Laßt diese Hand, die ich zum Eidschwur hebe,

Euch treu zu dienen bis zum letzten Hauch,

Laßt sie vom Rumpfe mit dem Richtbeil trennen.

Was sind mir Tod und Qualen jetzt. Ich hörte

Die süße Melodie von euren Lippen,

Die mich ins Leben ruft. Der Zauberquell

Glanzwogender beglückter Hoffnung strömt

Hernieder, und ich denke euch allein,

Und lebe nur und athme nur für euch.

MATHILDE für sich.

Weh' mir, was hör' ich? Fasse dich, mein Herz!


Laut zu Struensee.


Nicht so, mein werther Graf, uns ziemt jetzt, ruhig

Das Wicht'ge zu bedenken; Fassung ist

Uns noth, und muthige Entschließung.

STRUENSEE sich mühsam fassend, für sich.

Wo war ich?


Laut.


Ja, wir müssen schnell und muthig

Das kräft'ge Mittel wählen; unsern Feinden

Rasch zu begegnen, müssen wir beherzt

In ihre Mitte treten, uns nicht länger

In Friedrichsburg verbergen.[376]

MATHILDE.

Fass' ich euch?

STRUENSEE.

Nach Kopenhagen, Königin. Dort glüht

Fortbrennend noch der Aufruhr. Soll es heißen,

Uns schrecke diese Flamme? Nein, sie soll

Uns leuchten in das muth'ge Angesicht,

Sie sollen sich des heutigen Triumphs

Nicht heimlich freu'n; wir laden uns zu Zeugen

Des schnöden Fest's, da sie uns zitternd hier

Langsame Gegenwehr bereitend glauben.

MATHILDE.

So wolltet ihr?

STRUENSEE.

Daß eure Majestät

Der König und der ganze Hof noch heute

Nach Kopenhagen sich begebe.

MATHILDE.

Soll ich

Gebeugt Julianen dort entgegentreten,

Der ew'gen Feindin?

STRUENSEE.

Eure Majestät

Wird ihr begegnen, aber nicht gebeugt,

Gewaffnet mit der königlichen Anmuth,[377]

Dem stillen Adel eurer holden Jugend

Und eures Rechts.

MATHILDE.

Ich will ihr nicht begegnen,

Kann's nicht.

STRUENSEE.

Ihr werdet's, Königin! Ihr werdet

Mit großem Sinn ins Unvermeidliche

Euch fügen lernen. Scheinbar muß Versöhnung

Uns Zeit gewinnen lassen, wir erspähen

Indeß die stillen Plane ihrer Wuth.

So lange Schonung möglich, werd' ich schonen,

Und strafen, wenn's des königlichen Hauses,

Wenn es des Landes Sicherheit erfordert.

Auf morgen war in Friedrichsburg der Ball

Des Hofs bestimmt. – Laßt uns in Kopenhagen

Die Larve tragen, daß wir dort mit stummen

Betrüg'rischem Gesicht das Herz vermummen.

MATHILDE.

Mit diesem Herzen, – Feste?

STRUENSEE.

Wollet nun

Geruhen, selbst, mit eigenhänd'gem Schreiben,

Zu diesem Fest' die Feindin einzuladen.

MATHILDE.

Das sollt' ich?[378]

STRUENSEE.

Feiern müssen wir

Im Angesicht des Adels die Versöhnung;

Wenn wir sie täuschen können, um so besser.

Doch wollen wir dem Feind auf jeden Fall

Ins Auge schauen, daß er meuchlerisch

Uns nicht verderbe.

MATHILDE.

Handelt, wie ihr müßt,

Ich habe keinen Willen. Gebe Gott,

Daß alles Dies zum guten Ausgang ende.

STRUENSEE.

Wie es auch enden möge. – Dieser Stunde

Besel'gendes Gedächtniß wird mich fort

Und fort begleiten durch das Leben.

Der Zauberruf von euren Lippen klingt

Mir wieder an das Herz. Ich habe nichts

Zu hoffen, zu verlieren – ein Gedanke

Braust wie der Strom des Lebens durch die Seele.

Nichts hab' ich auf der Welt als dies Gefühl!

Ich kann nichts anders wollen, – nichts begehren,

Nichts, – als für euch zu leben und zu sterben.


Ab.


Quelle:
Michael Beer: Sämmtliche Werke. Leipzig 1835, S. 372-379.
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