[387] Juliane. Page.
PAGE einen Brief überreichend.
Von Ihro Majestät, –
JULIANE.
So dringend?
In den Brief blickend.
Hm! Die Zeit des Tanzes ist
Schon längst für mich vorüber. Aber ist
Das nicht die Hand der Königin? Sie bittet
Mich selbst; – Auf diesem Ball darf ich nicht fehlen, –
Das Heil von Dänmark. – Meine bösen Nerven
Sind so empfindlich, – und im Schlosse drüben[387]
Ist schlimme Luft für mich. – Doch wartet!
Sie schreibt einige Zeilen Antwort, während sie siegelt.
Ich werde kommen.
Dem Pagen den Brief gebend.
Hier! Adieu! Hört doch,
Wenn mich mein Nervenübel plagt, so bin ich
Entschuldigt im voraus.
Entläßt den Pagen, der sich verneigt und abgeht.
JULIANE allein.
Nein, nein, ich will
Mich nicht entschuld'gen lassen, werde kommen.
Zwar was sie wollen, ahn' ich nicht, indessen
Kann ich die Posse der Versöhnung spielen.
Wie aber, wenn sie's wagten, dort mich plötzlich
Gefangen – Aberwitz! Das könnten sie
In meinem Schloß so gut als in dem ihren.
Doch wenn sie Zeit gewinnen wollen, leise –
Geht nach der Thür, durch welche die Verschwornen abgegangen.
Berathen will ich denn sogleich.
Plötzlich stehen bleibend.
Halt!
Warum soll ich erwarten, – warum zögr' ich,
Ans große Werk zu geh'n. Es drängt die Zeit,
So mich, wie ihn. Der Schnellste hat gewonnen.
Und eh' der günst'ge Augenblick entschlüpft,
Werd' es vollführt! So sei es! Wenn die Kerzen
Des Festes morgen löschen, sei sein Glanz,
Sein Leben ausgelöscht.
Die Thür öffnend.
[388]
Herein!
Den Brief der Königin an Ranzau gebend, der ihn weiter giebt.
Les't, les't!
Auch ihr – –
RANZAU nachdem er gelesen.
Habt ihr beschlossen, Königin?
JULIANE.
Nicht bei dem Fest zu fehlen, wie ihr Alle.
Wir werden Alle kommen, Alle, Alle –
Und denken auch des Hofes Freuden nicht,
Und nicht der Jugend bunten Tanz zu stören,
Doch muß dieselbe Nacht Dänmark gerettet,
Und uns befreit seh'n von dem Feind.
GULDBERG.
Vortrefflich!
RANZAU.
So wollt ihr, Königin?
JULIANE.
Vollführen morgen, was wir heut' beschlossen.
Halblaut zu Ranzau.
Mein Plan ist sicher.
Zu den Andern laut.
Höre Jeder nun,
Wie ich auf morgen Nacht vertheilt die Rollen,
Und seine Ordre möge Jeglicher[389]
Sich schriftlich aufbewahren, – denn ich habe
Schon Alles wohl erwogen und bedacht.
Will nichts mehr ändern. Mein Gedächtniß aber
Wird mir zu Zeiten schwach. So mag ich gern,
Daß Alles schwarz auf weiß sei.
Zu Köller.
Werther Obrist
Ihr schreibt zuerst.
KÖLLER.
Zu gnädigstem Befehl.
JULIANE dictirt, Köller schreibt in die Brieftasche.
Noch eh' der Ball zu Ende ist, – um Eins –
KÖLLER wiederholend.
»Noch eh' der Ball zu Ende ist, um Eins« –
JULIANE in Gedanken versunken, ohne ihn zu hören.
Und wenn der Ball zu Ende ist, dann, dann –
Alle blicken erwartungsvoll auf die Königin.
Buchempfehlung
Anselm vertritt die Satisfaktionslehre, nach der der Tod Jesu ein nötiges Opfer war, um Gottes Ehrverletzung durch den Sündenfall des Menschen zu sühnen. Nur Gott selbst war groß genug, das Opfer den menschlichen Sündenfall überwiegen zu lassen, daher musste Gott Mensch werden und sündenlos sterben.
86 Seiten, 5.80 Euro
Buchempfehlung
Zwischen 1765 und 1785 geht ein Ruck durch die deutsche Literatur. Sehr junge Autoren lehnen sich auf gegen den belehrenden Charakter der - die damalige Geisteskultur beherrschenden - Aufklärung. Mit Fantasie und Gemütskraft stürmen und drängen sie gegen die Moralvorstellungen des Feudalsystems, setzen Gefühl vor Verstand und fordern die Selbstständigkeit des Originalgenies. Für den zweiten Band hat Michael Holzinger sechs weitere bewegende Erzählungen des Sturm und Drang ausgewählt.
424 Seiten, 19.80 Euro