Zweite Scene.

[453] Verwandlung. Saal im Schloß zu Kopenhagen. Mittel- und Seitenthüren. Hofleute sind zur Cour versammelt, unter ihnen der Fürst, Schack-Rathlow. Aus der Seitenthür treten Ranzau, Köller-Banner, Guldberg. Der Letztere begiebt sich in den Hintergrund und spricht mit den Hofleuten. Die beiden Erstern treten in den Vorgrund, nachdem sie die Versammlung begrüßt haben.


RANZAU er trägt das Band des Elephantenordens.

Nie, niemals, General, ich wiederhol' es,

So lange noch ein Tropfen edlen Blut's

In diesen Adern fließt, geb' ich die Stimme

Zu diesem Treubruch! Soll der Staatsrath selbst

Durch schändliches Bewilligen dem König

Die Freiheit wieder rauben, die er kaum

Errungen? Soll des Königs Name nicht

Mehr nöthig sein, um jegliches Gesetz

Zu heiligen? Soll dieser Prinz allein,

Der Sohn Julianens, wie die Majestät

Das Siegel führen und die Unterschrift?

O ich versteh' es wohl, die Majestät

Will man entheiligen, unmündig sie

klären, daß der treue Vormund endlich

Die Krone selber – –[453]

KÖLLER.

Graf, ihr geht zu weit!

RANZAU.

Mich blendet nichts! Klar seh' ich, höre deutlich,

Wo man hinaus will. Dieser Guldberg hat's

Im Staatsrath heut' verrathen, und die Schlaue

Täuscht mich bei Gott nicht durch ihr falsches Zürnen.

Der Guldberg sagt nur, was er soll – man wollte

Uns prüfen, seh'n, ob wir dem Vorschlag,

Geduldig nickend mit dem Haupte, nicht

Beistimmen würden – doch das schwör' ich euch,

Ich wanke nicht! – Glaubt diese Königin,

Man habe mich mit diesem Band gefesselt;

Mir Herz und Sinn und freie Wahl umstrickt?

Wie eine Kette drückt es mich! In Dänmark

Galt sonst dies Ordensband zum Preise nur

Großherz'ger That.


Auf die Devise des Ordens deutend.


Pretium Magnanimi!

Und darf ich's tragen für die That der Nacht,

Die uns mit solchen Früchten droht? Ich bitt' euch –

Laßt eure Hand mich fassen, General –

Seid stark und haltet euch zu mir! Seid nicht

Willfährig dem verbrecherischen Vorsatz.

O sagt, was wollt ihr noch

Erreichen? Habt ihr nicht mit raschem Fuß

Euch aufgeschwungen zu der höchsten Würde

Des Kriegers? Mehr als dies ist euch geworden!

Ein alt erloschen dänisches Geschlecht[454]

Blüht wieder auf in euch. Der König fügt

Ein Wort zu eurem Namen, und ein Banner

Des Dänenreichs ersteht aus seinem Grabe.

O hört mich, Köller-Banner. Laßt euch nicht

Von Heuchelei bestechen.

Seid frei und stark. Ihr schweigt? Welch still Begehren

Bleibt noch zurück in eurem Herzen? Welches?

KÖLLER.

Der Tod des Struensee.

RANZAU.

Der blut'ge Wunsch,

Glaubt mir, wird euch erfüllt.

KÖLLER.

Die Richter zögern.

RANZAU.

Ein Hochverräther soll gerichtet werden,

Doch der Beweis des Hochverrathes fehlt.

Eh' man ihn findet, und man wird ihn finden, –

Laßt seiner Ketten Rasseln wie Musik

Zu eurem Herzen tönen. Der Gedanke

Stärk' euch in eurer mordenden Erwartung,

Daß ihm die Nächte auf dem feuchten Lager,

Der bange Schlaf in die gequälte Seele

Die Bilder des erlöschten Glanzes zaubert.

Und wenn er aufschreckt, trüben Blicks umherstarrt, –

Umfangen ihn des Kerkers bleiche Schatten! –[455]

O das muß gräßlich sein. Mir aber wäre

An seiner Statt Eins gräßlicher als dies.

KÖLLER.

Das wäre?

RANZAU.

Daß er einst allmächtig war

In diesem Reiche, und der Thor gewesen,

Uns nicht zu opfern, wie wir ihn geopfert.


Guldberg ist näher getreten.


KÖLLER leise zu Ranzau.

Gebt Acht, der Guldberg blickt auf euch.

RANZAU laut.

Seht doch,

Wie zahlreich heut' die Gala!

GULDBERG.

In der That,

Des Hofes Eifer, um die Königin

Sich zu versammeln, zeigt von treuen Herzen.

Der Adel fühlt in diesen Sälen wieder

Wie sonst sich heimisch, und die Edlen alle,

Wie's immer Sitte war in Dänmark, knüpfen

Mit ihren Kön'gen den Familienbund.

RANZAU wendet sich, ohne ihm zu antworten, zu dem ihm zunächst Stehenden.


Köller-Banner tritt zu einigen Officieren.
[456]

GULDBERG für sich.

Ich werd' ihn treffen, diesen Ranzau, – werd' ihm

Den stolzen Nacken beugen! Diese Schlange

Muß aus dem Weg.

EIN KAMMERHERR die Seitenthür öffnend.

Der Kön'gin Majestät.


Quelle:
Michael Beer: Sämmtliche Werke. Leipzig 1835, S. 453-457.
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