XII. Von denen Wasser-Künsten in Nordhausen.

[115] Die erhöhete und bergichte Situation oder Lage der hiesigen Ober-Stadt und der daher rührende Mangel eines von sich selbst fliessenden Wassers hat die klugen, und um das Stadt-Regiment wohl-verdienten, Vorfahren E.E. Rahts alhier gelernet, darauff zu dencken, wie die Stadt mit nothwendigem Wasser versorget werden möchte; derohalben Sie nicht allein haben etliche sehr tieffe Brunnen graben, sondern auch zwei unterschiedliche Wasser-Kunst-Wercke anlegen lassen. Die erste von denselben wird die Ober-Kunst genennet, weilen solche eine ziemliche Weite über der nachfolgenden lieget. Diese Kunst ist anfänglich A. 1546 von Hans Laxuern, von Sachswerfen bürtig, angeleget, und dadurch das Wasser bei 85 Ellen hoch erhoben worden, es hat aber nachgehends A. 1598 Peter Günther von Halle solche Höhe auff 264 Ellen gebracht, dabei es biß hieher verblieben ist; woraus ich muthmasse, daß diese Kunst vor diesem erstlich ein unterschlägig Werck müsse gewesen sein, wovon etliche, insonderheit die Berg-Leuthe am Hartz, nicht viel halten, wie Herr Christian Berward, weiland JCtus und Assessor im Ober-Hartzischen Berg-Amte, in seiner, Herrn Lazari Erckers Probier-Buch mit an gehängten, Erklährung derer Berg-Leuthe Redens-Arten p. 27 bezeuget. Die Ursach dessen ist: daß das Wasser nicht darauff fället, und solches dieserwegen keine sonderliche Last heben kan, derohalben es auch dem andern eine leichte Mühe gewesen, diesen Fehler mit einem überschlägigen Rade, darauff das Wasser mit Gewalt fället, zu verbessern, und dadurch das Wasser höher hinauff zu bringen. Das Kunst-Gehäuse, worinnen die Kunst sich befindet, trifft man in der Vor-Stadt, das Altendorff genannt, nahe bei der Kirche, und[115] gleich unter dem Wohn-Hause des Kunst-Meisters an, von dar das Wasser durch 84 sechs-schuhigte und einen halben Centner schwere Meßings-Röhren biß nach einem andern, auff dem Kirschberg oder vielmehr Giersberg gebaueten Kunsthäuslein, getrieben wird, und darinnen in einen Wasser-Trog, mit einem ziemlichen Schall, fället, oder, hiesiger Redens-Art nach, hinein plumpet; deswegen auch die Kinder, wenn sie solchen Laut hören, davor halten, daß solchen das Plump-Männgen verursache, indem solches denenselben von ihren Eltern also vorgeschwatzet und eingebildet worden, wenn sie mit ihnen zu Sommers-Zeit nach diesem lustigen Ort spatzieren gegangen sind. Aus diesem Troge fliesset das Wasser, durch 160 hölzerne oder tannene Röhren, in den Stadt-Graben, und ferner unter der Mauer, durch Tit. Herrn Bürgermeisters Johann Caspar Arens, meines Hochzuehrenden Herrn Patroni Gevatters, hinter dem Hause am Pferde-Marckte gelegenen Garten, in die Stadt, biß an E.E. Rahts Marstall, allwo wieder ein Kunst-Häuslein ist, von dar solches endlich durch mehr als 1100 mit so viel eisernen Büchsen zusammen geschlossenen Röhren in die am Korn-Marckt vorhandene steinerne Kunst, darzu gehörige Brau-Häuser und andere Oerter mehr, vermittelst 28 in denen Kunst-Löchern oder viereckichten in die Erde gemachten und mit Deckeln belegten Behältnissen vorhandenen Meßings-Hahnen, geleitet wird. Die andere von denen vor gemeldeten Künsten nennet man, ihrer Lage wegen, die Unter-Kunst. Ob nun schon dieselbe ebenfalls von Peter Günthern von Halle Ao. 1598 angebauet worden; so kömmet sie doch der vorigen nicht gleich, weilen das Wasser daselbst keinen rechten Fall hat, und solche Kunst dieserwegen ein unterschlägig Werck ist; dessen ohngeachtet, treibet sie doch das Wasser 222 und eine halbe Elle hoch. Das Kunst-Gehäuse derselben lieget in der Vor-Stadt unter denen Weiden an dem Mühl-Graben, hart bei des Tit. Herrn Johann Wilhelm Harprechts, hiesigen Stadt-Consulentens und Syndici, meines Hochzuehrenden Herrn Schwagers und Gevatters, Garten, und zwar in der Behausung des Unter-Kunst-Meisters, wovon das Wasser durch 71 vor beschriebene Meßings-Röhren den Berg hinan biß in den am Neuenwe ges-Thor vorhandenen[116] Wasser-Trog steiget, und daselbst durch den Fall-Ständer wieder in 543 tannene gerade und 178 Queer-Röhren fället, auch endlich durch Hülffe 30 Meßings-Hahnen, wenn die auffgedrehet werden, bald in die darzu bestimmte Brau-Häuser bald in die steinerne am Marckte und in die hölzerne in der Rauten-Gasse, nicht ferne von Tit. Herrn Bürgermeister Johann Martin Kromans, meines Hochgeehrten Herrn Schwagers und Gevatters, Hause gelegene Kunst auch weiter geführet wird. Beide Künste aber sind Truck-Wercke, und kosten E.E. Rahts Cämmerei jährlich viel, mit ihrer Zubehör in gutem Stande zu erhalten. Nichts desto weniger sind es zwei Stücke, derer die Stadt nicht entbehren kan, welches diejenigen wohl bedencken solten, die denen Gelehrten offtmahls Spinnen-feind sind, massen dieselben von denen Gelehrten, nemlich aus der Mathesi, herrühren, und, vermöge derselben, anfänglich erfunden worden sind; hingegen soll man auch die Handwercks-Leuthe nicht verachten, weilen die meisten Hand-Wercke sich auff die Mathesin gründen.

Quelle:
Behrens, Georg Henning: Hercynia Curiosa oder Curiöser Hartz=Wald [...], Nordhausen 1899 [Nach der Ausgabe Nordhausen 1703], S. 115-117.
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