Dritter Auftritt.

[197] Vorige. Antonie.


ANTONIE. Guten Morgen.

EDMUND blickt sie verstohlen an.

OTTO bemerkt sie nicht, in sein Papier vertieft.

ANTONIE geht zu Otto, legt die Hand auf die Lehne seines Stuhls, halb über ihn gebeugt, freundlich. Guten Morgen.

OTTO saß halb abgewendet, fährt zusammen und beugt sich vor ihrer Nähe zurück. Guten Morgen.

ANTONIE bleibt einen Augenblick so stehen, als erwarte sie eine freundliche Annäherung.

OTTO verlegen, rückt etwas, aber sehr wenig, mit dem Stuhle.

ANTONIE zieht sich mit Würde zurück, ruhig. Wie hast du geschlafen?

OTTO. Ganz gut, wie immer. Er ist fortwährend mehr gleichgültig, ja etwas verlegen, nicht aber barsch. Sein Benehmen geht aus Unkenntniß und Vorurtheil, nicht aus Rauhheit des Charakters hervor.

ANTONIE nach einer Pause, in der Beide einander ansehen, sanft. Du fragst nicht wie ich geschlafen habe?[197]

OTTO. Ich rechne diese Frage zu den leeren Redensarten, die ein vernünftiger Mann vermeiden muß.

ANTONIE immer sanft und lächelnd. Ist es auch eine leere Redensart wenn der Mann seine Gattin so fragt?

OTTO. Die Römer kannten diesen Gruß auch nicht.

ANTONIE. So? Wie grüßten denn die Römer ihre Frauen?

OTTO. Ihre Frauen? Hm ich weiß in der That nicht ob sie außer ihrem salve noch einen besonderen Gruß für ihre Frauen hatten. Murmelnd und schreibend. Das ist schon die zweite wichtige Frage, die mir heute Morgen aufstößt, über welche ich nachforschen muß: wie grüßten die Römer ihre Frauen?

ANTONIE für sich. Also die Römer sind es, die mir im Wege stehen, die den mir gebührenden Platz einnehmen, die ich zu bekämpfen habe. Keck. Wir wollen doch sehen, ob eine junge Frau die alten vermoderten Schelme nicht aus dem Felde schlägt. Laut. Sage, lieber Freund, tranken die Römer auch Kaffee?

OTTO immer gelehrt und wichtig, wenn von derlei Dingen die Rede ist. Nunquam, niemals! Das Frühstück der Römer oder prandium bestand aus – halt, das prandium der Römer war doch etwas anderes als unser Morgenbrod – Halb für sich. es ist mehr das englische lunch – hm, da stößt mir eine dritte Frage von Wichtigkeit auf. Schreibt.

ANTONIE lächenld. Ich will dir keine weitere Mühe machen, deshalb frage ich nur: werden wir Kaffee trinken?

OTTO. Gewiß. Famule!

EDMUND. Herr Professor – sogleich!

OTTO. Du sollst sogleich bekommen!

EDMUND. Im Augenblick! Holt die Tassen vom Tische, für sich. Was der alte Hahnensporn nur will, die Frau Professorin ist ja so lieb und sanft wie ein Engel!

OTTO für sich. Meine Frau sieht recht hübsch aus. Sie scheint auch sanft und verträglich zu sein, wir werden recht gut mit einander auskommen.[198]

ANTONIE stand rechts am Tische und schlug ein Buch auf. Bis der Herr Famule mit dem Kaffee in Ordnung ist, könnten wir wol dieses oder jenes besprechen. Wie hast du dir denn unsere Hausordnung gedacht?

OTTO. Ich habe dir schon gesagt daß ich wünsche meine einmal festgesetzte Lebensweise nicht geändert zu sehen.

ANTONIE. Und wie ist denn die?

OTTO. Sehr einfach! Das Frühstück besorgt der Famulus, das Mittagessen holt der Stiefelputzer aus dem Speisehause, Abends esse ich im Casino, und du magst dir vom Stiefelputzer holen lassen was dir beliebt.

ANTONIE ganz ruhig. Lieber Freund, zu dieser Hausordnung kann ich meine Zustimmung nicht geben.

OTTO horcht hoch auf. Wie?

ANTONIE. Die paßt für einen unverheiratheten Mann, nicht für ein Haus, in dem eine Frau waltet.

OTTO. Hm, ich bin gern geneigt deinen Wünschen etwas nachzugeben, aber meine Arbeiten und Studien erfordern –

ANTONIE lächelnd. O meine Haushaltung wird deine Arbeiten und Studien nicht stören!

OTTO. Was hättest du denn für Vorschläge zu machen?

ANTONIE. Vorschläge? Ich denke, die Hausfrau wird nicht blos eine berathende, sondern eine beschließende Stimme haben.

OTTO. Beschließende Stimme? Das geht zu weit. Bei den Römern und Griechen waren die Frauen im gynaeceum, im Frauengemache!

ANTONIE ruhig. Lieber Freund ich denke mein Haus auch nicht römisch und griechisch, sondern einfach deutsch einzurichten. Ich werde dir kurz sagen was ich wünsche, was ich will! Erstens wünsche ich noch heute eine Köchin!

OTTO. Was soll ein so geschwätziges Wesen im Hause?

ANTONIE. Kochen, mein Freund, sonst nichts. Das Frühstück besorge ich, das Mittagessen wird nicht im Speisehause[199] geholt sondern selbst bereitet, des Abends wird es auch besser sein wenn du zu Hause issest.

OTTO. Nimmermehr! Zu solchen Umwälzungen meiner Hausordnung kann ich meine Zustimmung nicht geben! Eine Köchin im Hause, Selbstkochen, der Lärm, die Umstände – nimmermehr!

ANTONIE. Lieber Freund, deine Sachen sind die Römer und die Griechen, das Hauswesen ist meine Sache!

OTTO aufstehend. Du führst eine Sprache –

ANTONIE fest, aber gelassen. Wie sie der Frau zukommt.

OTTO. Das kann ich nicht zugeben. Der Mann ist der Herr im Hause und sein Wille entscheidet.

ANTONIE. Es wäre gut gewesen du hättest dir, als du heirathetest, die Verhältnisse klar gemacht. Der Mann ist der Herr des Hauses, im Hause aber ist die Frau die Herrin.

OTTO. Mulier taceat in ecclesia!

ANTONIE. Das verstehe ich nicht, was heißt das?

OTTO. Die Frau schweige in der Kirche, sie rede nicht mit.

ANTONIE. In der Kirche? Gern. Im Hause aber muß die Frau nicht schweigen, sondern anordnen, regieren, befehlen, und das alles geht nicht ohne zu sprechen und zuweilen recht vernehmlich zu sprechen.

OTTO. Der Spruch war auch nur bildlich gemeint, in der Anwendung heißt er so viel als: die Frau soll sich dem Willen des Mannes fügen.

ANTONIE. Der Mann soll seinen Willen nicht weiter erstrecken als er berechtigt ist.

OTTO. Der Wille des Mannes ist unbeschränkt. »Und er soll dein Herr sein,« sagt Moses, und der Apostel Paulus spricht: »ihr Weiber seid unterthan euren Männern;« ja die weise und tüchtige Penelope gehorchte ohne weiteres selbst ihrem Sohne Telemach, als er sie in die Frauengemächer verwies.

ANTONIE. Du erhitzest dich ohne Noth. Die weise[200] Penelope mag es gehalten haben wie sie wollte, ich bin eine deutsche Hausfrau und halte es wie es bei uns Rechtens und Sitte ist.

OTTO. Wie? Du wagst es dich förmlich gegen deinen Mann aufzulehnen? Ei ei, ich habe dich für sanft und fügsam gehalten. In abgeschmacktem Schulmeistertone. Es ist mir aber lieb daß du gleich anfangs deinen Hochmuth, deinen Ungehorsam an den Tag legst, damit ich dir unumwunden auseinandersetzen kann welche Stellung dir gebührt. Das Weib steht dem Manne nach in allen Eigenschaften des Körpers und des Geistes; deshalb soll der Mann ihr Vormund sein und Gewalt über sie haben, wie über eine Minderjährige, die sie auch ihr Leben lang bleibt. Solches bestimmt daher auch das römische Recht und darnach war die Stellung der Weiber bei den Alten geordnet, indem sie auf ihre Gemächer beschränkt waren und nicht einmal bei der coena, der Mahlzeit, erscheinen durften. Die größten Autoritäten des Alterthums sprechen sich in diesem Sinne aus. Die ältesten Philosophen, selbst die Kirchenväter weisen den Weibern ihre untergeordnete Stellung an. Ich will dabei von dem Simonides absehen, der vielleicht etwas zu weit geht, wenn er die Weiber mit Füchsen, Affen und Hunden vergleicht, ich will auch nicht genauer auf die ungünstigen Schilderungen eingehen, die Euripides von den Frauen macht, aber der Pythagoräer Secundus nennt die Weiber ein nothwendiges Uebel, und der heilige Hieronymus sagt: sie seien ignarae, leves, pertinaces, unwissend, leichtsinnig und hartnäckig. Du wirst nun hoffentlich einsehen welche Stellung dir deinem Manne gegenüber gebührt, wirst dich in schweigendem Gehorsam meinen Anordnungen fügen und mich nicht zwingen meine Autorität gegen dich geltend zu machen.

ANTONIE hat ihn ruhig angehört. Dein Pythagoräer mag ganz Recht haben, daß wir unwissend, leichtsinnig und hartnäckig sind. Unwissend bin ich so weit, als ich deine alten groben Philosophen und Kirchenväter nicht kenne, allein ich danke Gott daß ich deren Dummheiten nicht weiß und mir von ihnen nicht habe den Kopf verdrehen lassen. Leichtsinnig[201] mag ich auch sein, und das ist mir sehr lieb, denn es gehört wirklich viel leichter Sinn dazu in diesem Sammelplatze vermoderter Gelehrsamkeit als Frau aushalten zu wollen. Und damit dein Pythagoräer ganz Recht hat, werde ich so hartnäckig sein deine Autorität in Bezug auf die Hausordnung durchaus nicht anzuerkennen.

OTTO heftiger. Du mußt.

ANTONIE fest. Durchaus nicht!

OTTO. Ich werde dich zwingen!

ANTONIE. Das will ich abwarten.

OTTO stark auf sie zutretend. Du wagst es, femininum!

ANTONIE die Hände auf dem Rücken, schaut ihm keck in das Gesicht. Nach einer Pause lächelnd. Mein Herr Gemal.

OTTO durch ihre Keckheit entwaffnet, für sich murmelnd. Wir werden sehen.

EDMUND hat mit Aengstlichkeit dem Auftritt zugesehen. Der Kaffee ist fertig.

ANTONIE neckisch. Machen wir Waffenstillstand bis nach dem Frühstück.

OTTO setzt sich, für sich. Ich werde schon Mittel finden!

ANTONIE sich umsehend. Ich bemerke aber noch keine Anstalten zum Frühstück?

OTTO. Was sind da für Anstalten nöthig? Ich nehme meine Tasse Kaffee während der Arbeit, dir kann er auf dein Zimmer gebracht werden.

EDMUND bringt Otto eine Tasse Kaffee und setzt sie auf seinen Tisch.

ANTONIE. Ich will mir heute einmal diese Art gefallen lassen. Schiebt die Bücher auf dem Tische rechts zusammen.

OTTO fährt in die Höhe. Halt, die Bücher!

ANTONIE. Auf ein wenig Platz wird deine Gattin doch Anspruch machen können. Herr Famule, bringen Sie mir den Kaffee hierher.

EDMUND setzt ihr eine Tasse Kaffee auf den Tisch rechts.


Quelle:
Roderich Benedix: Haustheater. Leipzig 21865, S. 197-202.
Lizenz:
Kategorien:

Buchempfehlung

Suttner, Bertha von

Memoiren

Memoiren

»Was mich einigermaßen berechtigt, meine Erlebnisse mitzuteilen, ist der Umstand, daß ich mit vielen interessanten und hervorragenden Zeitgenossen zusammengetroffen und daß meine Anteilnahme an einer Bewegung, die sich allmählich zu historischer Tragweite herausgewachsen hat, mir manchen Einblick in das politische Getriebe unserer Zeit gewährte und daß ich im ganzen also wirklich Mitteilenswertes zu sagen habe.« B.v.S.

530 Seiten, 24.80 Euro

Im Buch blättern
Ansehen bei Amazon

Buchempfehlung

Geschichten aus dem Sturm und Drang II. Sechs weitere Erzählungen

Geschichten aus dem Sturm und Drang II. Sechs weitere Erzählungen

Zwischen 1765 und 1785 geht ein Ruck durch die deutsche Literatur. Sehr junge Autoren lehnen sich auf gegen den belehrenden Charakter der - die damalige Geisteskultur beherrschenden - Aufklärung. Mit Fantasie und Gemütskraft stürmen und drängen sie gegen die Moralvorstellungen des Feudalsystems, setzen Gefühl vor Verstand und fordern die Selbstständigkeit des Originalgenies. Für den zweiten Band hat Michael Holzinger sechs weitere bewegende Erzählungen des Sturm und Drang ausgewählt.

424 Seiten, 19.80 Euro

Ansehen bei Amazon