[59] Vorige. Wagner.
WAGNER in Eile und Schrecken.
Daß ich diese Unglücksstunde
Nimmermehr geseh'n!
FAUST erbebend, zurückweichend.
Welche neue Unglückskunde?
WOHLHALDT U. KAYLINGER.
Sprich, was ist gescheh'n?
WAGNER im tiefsten Schmerz.
Röschen! –
FAUST auf Wagner stürzend.
Ha! was werd' ich hören!
WAGNER.
Verzweifelt eilte sie von hinnen,
Bald sah'n wir sie den Strom gewinnen,
Nicht war es mehr zu wehren!
Ein Augenblick – sie sprang hinab!
Und fand in kühler Fluth – ihr Grab!
KUNIGUNDE die Hände ringend.
Wohl ihr! Läg' ich bei der Guten,
In des Stromes kühlen Fluthen!
Doch, was hält mich länger hier,
Glückliche, ich folge dir!
WOHLHALDT UND KAYLINGER zu Faust.
Weh! du hast ihr Glück vernichtet!
FAUST in Aufregung.
Hölle, treibst du solches Spiel!
Daß ich je dir konnte glauben! –
So die Einz'ge mir zu rauben!
MEPHISTO zu Faust.
Die Stunde schlug! Du bist gerichtet![59]
FAUST wild.
Satan! Nein! Das war zu viel!
Dieses muß mein Bündniß lösen,
Das ich, Teufel, mit dir schloß.
Solch ein Opfer mir entrissen
Reißt mich aus der Hölle Schoß.
MEPHISTOPHELES verächtlich.
Alles ward dir frei gegeben,
Was erzeugt das Erdenleben:
Schönheit, Reichthum, Kraft und Macht
Hat die Hölle dir gebracht.
Nun ist um des Bundes Zeit!
Sie verlangt ihr Opfer heut.
KUNIGUNDE, WOHLHALDT, WAGNER, KAY erbebend.
Muß sich so das Räthsel lösen?
Wie? Gemeinschaft mit dem Bösen?
FAUST ebenso.
Ha, ist's Wahrheit, was er spricht?
Nein, hier lügt die Hölle nicht!
KUNIGUNDE, WOHLHALDT, WAGNER, KAYLINGER.
Ha, schändlich sind wir belogen!
Ha, schrecklich sind wir betrogen!
Hinweg vom Verruchten!
Verlaßt den Verfluchten,
Der Hölle verworfenen Knecht!
Ihr werde ihr fürchterlich Recht!
Alle ab
FAUST keck sich brüstend.
Doch mein Wille ist mein Schutz!
Dir, der Hölle, biet' ich Trutz!
Auf Mephisto losgehend.
MEPHISTOPHELES die Hand gegen ihn streckend.
Du Wurm, zertreten schon in Koth,
Dein Dünkel ist der Hölle Spott!
Die Lichter auf dem Tische verlöschen.
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