Elfte Scene

[74] Hanns. Suse.


HANNS. Denk nur, Suse – wo ist sie denn hingekommen? Ging sie nicht eben dort hinein? Suse! Die hört und sieht nicht. Geht hin und stößt die Kammerthür auf. Suse! Was treibst Du da? Verblüfft. Die wäscht sich erst?

SUSE von innen. Was erschreckst Du mich so? Bleibe draußen, ich komme gleich. –

HANNS. Aber höre nur! Sieh Dich nur um! Fährt plötzlich zurück. Wa – was Teufel! Das ist ja Frau Elsens Gesicht! Fällt auf die Knie, und schlägt ein Kreuz. Gott steh mir bei! das ist Hexerei.

SUSE schreit drinnen laut auf, springt heraus und dreht sich taumelnd im Kreise. Was ist mir denn geschehn?

HANNS zitternd. Nun ist's wieder Susens Gesicht!

SUSE. Was fällt dem Dummkopf ein? Was erschreckt er mich so, und was kniet er dort und klappert mit den Zähnen?

HANNS wie oben. Ja, da mag ein Andrer nicht klappern. Erst stehst Du mit dem Rücken gegen die Thür, und ich sehe Dich eifrig Dein Gesicht waschen, dann wendest Du Dich um, und auf einmal hast Du Frau Elsens Kopf auf, wie sie leibt und lebt. – Drauf rufe ich in meinem Schrecken den lieben Gott an und schlage ein Kreuz – da fährt eine blaue Flamme durch die Kammer, und Du bist wieder die Suse![74] Wer da keine Gänsehaut bekäme, müßte ein Fell von Leder haben.

SUSE zornig. Du bist wohl verrückt worden, Hanns? Will auf ihn zugehen.

HANNS springt auf, retirirt sich mit langen Schritten rückwärts gehend hinter den Tisch. Nicht rühr' an, Du Gestalt Du!

SUSE. Was, Du nennst mich eine Gestalt? Beide Arme in die Seite stemmend. Was willst Du damit sagen, he? Was?

HANNS hält abwehrend die Hände vor sich hin. O eigentlich gar nichts.

SUSE will gehen. Wenn Du nicht gleich vernünftig bist, so laufe ich davon, und nehme den Schneider.

HANNS ängstlich rufend. Um's Himmelswillen Suse, bleib stehen, wende Dich nicht um. Vorher warst Du von rückwärts meine Suse und als Du Dich wandtest, hattest Du Frau Elsens Gesicht – jetzt bist Du von vorne die Suse, wer steht mir denn dafür, daß Du nicht Frau Elsens Gesicht auf dem Rücken hast?

SUSE. Hanns, nun reißt mir die Geduld, gleich sei gescheidt. Willst Du mich als deine Suse anerkennen, oder nicht?

HANNS. Ach Suse, ich möchte schon gerne, geh' an den Tisch dort, Suse, ich bitte Dich, thu's.

SUSE thut es, ohne sich umzuwenden.[75]

HANNS kömmt ängstlich hinter seinem Tische hervor. So, nun schlage auf den Tisch, daß es patscht, thu' es! ich muß ein Zeichen haben, daß Du es selbst bist, nicht ein höllischer Spuk.

SUSE eilt hin und giebt ihm eine derbe Ohrfeige. Da hast Du ein Zeichen, Dummerjan!

HANNS mit verklärtem Gesicht. Ja Suse, ich erkenne Dich. Du bist's, Du bist's! Fällt ihr um den Hals.

SUSE. Nun, Gottlob! Aber jetzt sage mir Hanns, sah ich denn wirklich aus wie die Else?

HANNS. Wie sie leibt und lebt.

SUSE. Mir kam's auch seltsam vor, als Du den lieben Gott anriefst und das Kreuz schlugst, da fuhr es mir wie ein Schlag durch alle Glieder. – Hanns, mir geht ein Licht auf! Gott steh uns bei! Ich hatte doch recht. Die Base hat sich auf die Hexerei verlegt. Das kommt gewiß von dem wunderlichen Kraut, mit dessen Thau ich mir das Gesicht wusch! Da könnte ja jeder die Else vorstellen, der das Kraut hat. Hanns, mir läuft's eiskalt über den Rücken, ich rühre das Hexenzeug im Leben nicht mehr an. Aber dem Vetter will ich's sagen, damit er doch weiß, was die Base treibt. O Hanns Fällt ihm um den Hals. lieber Hanns! was wird noch aus uns Allen werden?[76]


Quelle:
Charlotte Birch-Pfeiffer: Gesammelte dramatische Werke, Band 9, Leipzig 1863, S. 74-77.
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