Siebente Scene

[45] Baron. Krabbe. Gottlieb Baldrian.


BARON ganz wüthend. Gottlieb, halt' Er mir den Jungen fest!

GOTTLIEB trocken. Werde mich hüten! Wenn so junges Blut in's Kochen kommt, muß man es überlaufen lassen, das ist gesund! Er tritt zum Fenster.

KRABBE vom Stuhl auf die Knie fallend. O Gott, du Allgerechter! Krawall! Der Herr erbarme sich!

BARON zornig hin und her gehend. Ach, Herr Krabbe, machen Sie sich nicht lächerlich, es rührt sich ja nichts!

GOTTLIEB am Fenster. Da gehen die jungen Herren Arm in Arm über den Platz, sie lachen aus vollem Halse, die Schelme!

KRABBE zitternd. Aber hören Sie nur das furchtbare Trommeln!

BARON wie oben. Ach, Sie sind verrückt, das sind die Droschken, die durch die Straßen rumpeln!

KRABBE steht mit einem tiefen Athemzug auf. So – meinen Sie? Ist also kein Krawall?[45]

BARON. Pah, das konnten Sie ja wohl gleich merken, daß die Spitzbuben uns nur so etwas vormachten, um fort zu kommen! Vor ihm stillstehend. Hören Sie, die Rechnungen Ihres Julius scheinen mir sehr verdächtig, das sind Alles Geschenke für Damen, der hat Liebschaften, verlassen Sie sich drauf!

KRABBE verblüfft. O, wo so? Liebschaften? Das unschuldige Lamm! So was soll ich erleben?

BARON. Na, wenn wir nichts Schlimmeres erlebten, könnten wir Gott danken! Alle Tausend Wetter! So toll hab' ich es mir doch nicht gedacht! Die Bursche sind ja gradezu des Teufels!

GOTTLIEB. Ja, unser junger Herr ist, mit Permission zu sagen, toll genug! Aber – da hat er dem Herrn Baron doch etwas aufgebunden, wenn er sagt, er habe sich der Bellona in die Arme geworfen – ne, die heißt ganz anders!

BARON sieht ihn groß an. Gottlieb Baldrian, schwatze Er nicht so stupid! Das ist keine Liebste, das ist die Kriegesgöttin!

GOTTLIEB. So? Ist möglich – aber der Barbier hat mir doch eine ganz Andere genannt!

BARON hin und her gehend, ohne auf ihn zu hören. Mit Zwang ist in diesem Stadium gar nichts mehr zu machen! Und reisen lassen kann ich ihn doch auch nicht. Gäbe es denn kein Mittel, ihn zu halten? Er schlägt Krabbe, welcher ängstlich durch das Fenster auf die Straße sieht, kräftig auf die Schulter. Herr Krabbe!

KRABBE zusammen zuckend. Gott, du Gerechter! Was giebt's?

BARON barsch. Zum Teufel, fällt Ihnen denn gar nichts ein?

KRABBE kläglich. Mir? Mir fällt niemals etwas ein – aber meine Alte fällt um, wenn der Julius in die blutige Schlacht zieht. O ich unglücklicher Vater![46]

GOTTLIEB zwischen Beide tretend. Aber mir fällt was ein, Herr Baron! Mit Permission, Sie hätten den Herrn Julius nicht so schnöde abfahren lassen sollen, als er vom Heirathen schrieb. Ich sage Ihnen, er hat eine unglückliche Liebe, und die treibt ihn in den Krieg.

BARON frappirt. Was schwatzt Er da? Woher weiß Er das?

GOTTLIEB. Woher? Von mir selber, mit Permission! – Glauben Sie, ich bin Anno Vierzehn aus Patriotismus wie blind in's Feuer gelaufen? – Die große Liese hat mir der Vater nicht geben wollen, weil sie rothe Haare hatte, und mir gefielen grade die rothen Haare – und ich hätte fast den blassen Tod davon gehabt. Und so geht's dem Herrn Baron Julius auch; wenn ich auch nicht behaupten will, daß seine Liebste grade rothe Haare hat, aber er hat nun mit Permission doch eine Liebste, das hat mir der Barbier anvertraut.

BARON. Was für ein Barbier?

GOTTLIEB. Na, der Ihnen vorhin den Bart abnahm, dem Herrn Julius sein Bartscheerer, der hat mir gesagt, daß der junge Herr eine Liebe hat auf Tod und Leben. Nun meine ich eben: das beste Mittel, ihn zur Raison zu bringen, wäre, daß Sie ihm eine Frau gäben, denn da bekäme er Subordination, und ohne die geht's einmal nicht. Sie sollen sehen, er läuft Ihnen fort, und ist er einmal unter die »Meerumschlungen« hinein gefallen, dann können Sie nur gleich Adieu von ihm nehmen: die einzigen Söhne suchen sich die Kugeln immer zuerst.

BARON. Der alte Bursche hat recht; eine Heirath wäre das sicherste Mittel – aber – warum sollte denn grade mein Junge heirathen? – Herr Krabbe!

KRABBE der immer am Fenster lauschte, erschrocken. Herr Baron!

BARON. Mein Julius ist zu jung zum Heirathen. Wissen Sie für den Ihrigen keine Partie? Diese insèparables lassen ja nicht[47] von einander! – Verheirathen Sie Ihren Julius, so denkt er nicht mehr an den Kreuzzug nach Holstein, und der meine geht nicht, weil der Verführer hier bleibt.

KRABBE giftig. So? – Nein, Herr Baron, ich habe keine Partie für den Jungen als die dicke Trude, und die konnte er schon als Knabe nicht ausstehen; er ist ja auch noch ein unmündiges Kind, was sollte der mit einer Frau? Aber Ihrem Leichtfuß könnt' es nicht schaden, wenn Sie ihn unter einen hübschen Pantoffel brächten, und der hat doch schon eine Liebste. Wenn aber mein Sohn erst seinen Verführer gefesselt sieht, so geht er ruhig mit mir nach Glognitz.

BARON mit dem Fuß stampfend. Nun, dazu gehört doch blinde Vaterliebe, um nicht zu sehen, wer da verführt und Verführer ist!

KRABBE boshaft. Ja, ja, so scheint mir's auch! Für sich. Ist das ein alter Maulwurf!


Quelle:
Charlotte Birch-Pfeiffer: Vatersorgen. Berlin 1849, S. 45-48.
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