Siebente Scene

[14] Dore. Kathrin.


KATHRIN Bauernkostüm wie Dore, nur nicht so reich. Der fremde Herr der auf Nro. Zwölf geschlafen hat, ist schon fort.

DORE sich umsehend. Herr Jeh! den hab' ich ganz vergessen! Der war ja eben noch hier?

KATHRIN. Ja, die Post von droben 'runter hat g'rad angehalten, da hat er ein Goldstück auf den Zahltisch gelegt, war wie der Blitz d'rin, und es ging gleich fort! Und jetzt kommt der Martin aus der Remis' und bringt die Brieftasch'Zieht eine sehr elegante Brieftasche unter der Schürze hervor. Die hat er in der leichten Chais' gefunden, in der er gestern den Herrn nach dem Schluchsee gefahren hat, er sagt: der müßt' sie verloren haben, und es sei viel Geld drin; da ist's; ich hab's abgeliefert. Ab.

DORE nimmt die Brieftasche. Die muß man untersuchen, da wird's schon drin stehen, wer er ist, und wohin man's ihm nachschicken kann. Oeffnet die Brieftasche. Ein paar Briefe. Legt die Briefe auf den runden Tisch und sieht die Adresse der Reihe nach an, lachend. Wenn die Alle französisch sind wie die Adressen, da werde ich nicht viel d'raus verzählen. Zieht ein Päckchen feines Papier heraus, das sie sorglich wieder hineinsteckt. Ein paar Tausendfrancsbillets! Na, Reis'geld hat der g'nug, wenn er das nicht vermißt hat! Und da – noch ein Brief? Aha! Endlich eine deutsche Schrift. Liest. »Seiner Excellenz« Potz tausend! »dem Herrn Grafen von Hohenfels, Hochgeboren – Baden-Baden!« Richtig da hab' ich wieder einmal recht. Hab's ihm doch gleich angesehen, daß er was »Hochgebornes« ist. Indem sie den Brief aus dem Couvert nimmt. Na, da kann man vielleicht was erfahren über die verkappte Excellenz! Liest, im Anfang ganz gleichgültig. »Da Euer Hochgeboren den Grafen Adolph wie einen Sohn lieben, so halte ich es für Pflicht Sie zu benachrichtigen, daß derselbe, seit Sie von Paris abgereist – Hochdero Fräulein Tochter in dem Pensionat selten nachfragt, da die bewußte junge Deutsche dasselbe verlassen hat, und zu Euer Excellenz Banquier, dem Herrn Leblanc gezogen ist.« Was, was wäre das? Fährt sich über die Augen als sähe sie nicht und liest hastig weiter. »in dessen Hôtel unser junger Herr jetzt fast täglich zu finden ist. Während er sich sonst von bürgerlichen Coterien fernhielt, scheint er jetzt intim mit dem lockern Sohn Leblancs, zieht sich dagegen aus den höheren Kreisen zu rück, geht weder[14] in den Jockeyclub zum Spiel, noch bekümmert er sich um den Sport – und hat sogar seiner kleinen Tänzerin plötzlich den Abschied gegeben. Erschreckt über diese Umwandlung, erlaubte ich mir Graf Adolphs Schreibtisch zu durchsuchen und fand dort ein feuriges Gedicht: »An die schönste Rose Deutschlands«, das nach einem fermen Heirathsantrag aussieht. Ob dasselbe nur Entwurf ist, ob es wirklich abgesandt worden, weiß ich nicht. Alles was ich erfahren konnte, ist: daß das Mädchen ungewöhnlich schön, aus der Gegend von Baden daheim, die Tochter eines Holzhändlers ist und sich Rose Wernik nennt. Schreit auf. Himmlischer Vater! Es ist die Rose! »Wernik«, die Franzosen haben unsern ehrlichen Namen: Werninger, in ihr Latein übersetzt! Liest. »Da Excellenz jetzt quasi in loco befindlich, so dürfte es rathsam sein, dort persönlich den Familienverhältnissen dieser jungen Person nachzuforschen, da sich vielleicht Umstände finden ließen, sie dem jungen Grafen verächtlich, oder mindestens sie lächerlich zu machen.« – O diese Schelme! Darum also war der Herr hier, darum hat er sich eingeschlichen und ist davon gegangen wie der Marder vom Taubenschlag? Desperat. und ich war auch so dumm und hab' ihm richtig Alles aufgebunden, was er wissen wollte! Hin und hergehend. Die Rosel! Unsere Rosel – und ein junger Graf? Herr Gott, hilf ihr! Horch – die Stimme der Mutter! Steckt rasch den Brief in die Tasche. die darf's nicht erfahren! Fest, mit Entschluß. Niemand darf's wissen – als ich, Niemand auf der Welt, nicht einmal der Bastian. Den Kopf senkend. Hat sie den Grafen gern, so ist's ein Unglück, aber das kann kein Mensch mehr ändern, denn man kann ja doch nur Einen gern haben sein Lebtag – und hat sie ihn nicht gern, so schlag' ich umsonst Lärm, und der Vater schreit Feuer, und verunehrt das eigene Kind. Sich aufrichtend. Der Mosje soll seine Sachen redlich wieder haben, aber den Brief Zieht ihn wieder hervor. schick' ich der Rosel als Wegweiser, wenn sie in der Irre gehen sollt'; das ist gewiß keine Sünd', denn dazu hat ihn der liebe Gott g'rad mir anvertraut. Wenn sie den Grafen gern hat – so kommt sie nichtMit zitternder Stimme. und nachher verzeih' ich's ihr – da kann sie nichts dafür, denn die Lieb' zieht stärker als die Heimath! Geht mit gesenktem Haupt zum Tisch, nimmt die Brieftasche mit den Papieren rasch auf, und geht damit ab.


Der Vorhang fällt.
[15]

Quelle:
Charlotte Birch-Pfeiffer: Gesammelte dramatische Werke, Band 10, Leipzig 1863, S. 14-16.
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