Erste Scene

[16] Charles. Gleich darauf Adolph.


CHARLES in Gesellschafts-Toilette, kommt aus dem Bogen links. Ah! das Musikzimmer ist leer. Hier endlich kann ich mich erholen von dem Schrecken den mir unser alter Buchhalter einflößte! – Man flüstre sich im Comptoir zu: diesen Abend sollte meine Verlobung mit Rose proclamirt werden! – Wie kommen unsere Leute zu diesem Unsinn? – Wer mag dies Gerücht ausgesprengt haben? – Führte mein Vater wirklich eine solche Zwangsmaßregel im Schilde? Ah, das wäre perfide und forderte energischen Widerstand! Bleibt stehen. Aber – meine Schulden! Verwünschter Block an meinen Füßen! – Und mein gräflicher Pylades bleibt heute aus! Sollte er mir noch entschlüpfen nachdem es schien, er habe den Köder bereits verschlungen? Diese Deutschen sind wie die modernen Geldschränke, man muß das Wort kennen das sie öffnet. Ich werde ihm endlich mein Geheimniß enthüllen müssen, denn wenn er mir nicht aus dem Dilemma hilft – was dann?

ADOLPH junger Mann von den schönsten Formen, fein, aristocratisch vornehm, sich fühlend, aber immer verbindlich zu Charles, tritt rasch ein, Seitenthüre links. Guten Abend, Charles.

CHARLES. Ah, Sie kommen wirklich noch, Graf Adolph!

ADOLPH befremdet. Wissen Sie denn noch nicht, daß mein Oheim gestern Abend ganz plötzlich angekommen?

CHARLES unangenehm überrascht. Wie? Schon von Baden zurück?

ADOLPH. Ohne seine Rückkehr vorher anzuzeigen. Er hielt mich den ganzen Tag in Athem, bis vor einer halben Stunde, wo er zu einer Parthie bei Rothschild fuhr. Bitter. Wie konnten Sie glauben, daß ich an Ihrem Festabend hier fehlen würde?

CHARLES. Was meinen Sie? Ich weiß von keinem Fest.

ADOLPH gereizt. Sie sind ein Heuchler, Charles! Bekennen Sie doch endlich Ihre Verlobung mit Rose, die ja heute gefeiert wird, wie aus Ihrem Comptoir verlautet –

CHARLES. Wer sagt das?

ADOLPH. Meines Oheims Factotum, der alte Felden; weshalb leugnen Sie Ihr Glück? Gezwungen lachend. Das soll uns nicht hindern Freunde zu bleiben.

CHARLES. Sie nennen mich Heuchler, und haben in diesem Augenblick keinen glühenderen Wunsch als mir den Hals zu brechen, während ich Ihnen mein Glück von Herzen gern abträte, wenn ich nur wüßte – daß Sie Rose wirklich lieben –[16]

ADOLPH heftig bewegt. Charles!

CHARLES plötzlich ernsthaft. Und daß Sie als Ehrenmann den Muth haben sie zu heirathen. –

ADOLPH fährt zusammen, in sich hinein. Heirathen? –

CHARLES trocken. Ja heirathen, Graf Adolph! Ihre Liebe kann mir nichts helfen, da diese Verlobung wie ein Damoklesschwerdt, wenn es auch nicht heute schon fällt, dennoch unausbleiblich über meinem Haupte schwebt! – Nur ein Mann, kein Anbeter kann es den Händen meines zärtlichen Papas entwinden.

ADOLPH sieht ihn durchbohrend an. Also ist es wahr! Rose ist für Sie bestimmt. Und Sie, frei, reich und selbstständig – Sie sollten wirklich dieses Glück von sich weisen?

CHARLES in komischem Ernst. Wirklich, Graf, wenn auch schweren Herzens! Aber ich muß wohl, denn Sich zu seinem Ohr neigend, halblaut. meine kleine Frau ist eifersüchtig wie Othello!

ADOLPH fährt zurück. Wie, Sie wären verheirathet? –

CHARLES sich umsehend. St! St! Um Gotteswillen! Verfährt ein Diplomat so mit Staatsgeheimnissen? Leise. Verheirathet seit vier Monaten mit der ärmsten und reizendsten jungen Polin, die je einen Leichtsinnigen zur Vernunft gebracht hat. Allein mein Vater darf nicht eher erfahren, daß ich seinen Lieblingswunsch zerstörte, als bis seine schöne Pathe an den Mann gebracht ist – sonst bezahlt er meine Schulden nun und nimmermehr, und meine süße Valesca wird mit mir darben. Rose selbst muß sich für mich unmöglich machen! Begreifen Sie nun?

ADOLPH seine innere Bewegung mit Mühe bemeisternd. Alles! Und kann nur schmerzlich bedauern, daß ich der Mann nicht sein darf, der Sie aus diesem Dilemma rettet. Ich bin nicht selbstständig, und mein Oheim hat Plane, wie Ihr Vater, nur mit dem Unterschied, daß Sie ein Geschäfts mann sind, und die Ansprüche des einzigen Sohnes für sich haben, während ich, ohne die Großmuth meines Oheims – auf mein Einkommen als Bitter. Attaché angewiesen bin, und auf ein Majorat in weitester Ferne. –

CHARLES. Pah – man kann sich auch als Attaché heimlich verheirathen, in Paris lassen sich derlei romantische Streiche ohne Risiko wagen, und hat man erst die Frau – das Weitere findet sich!

ADOLPH verächtlich. Sie sind wahnsinnig Charles!

CHARLES für sich. O über dieses träge deutsche Blut!


Quelle:
Charlotte Birch-Pfeiffer: Gesammelte dramatische Werke, Band 10, Leipzig 1863, S. 16-17.
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