339. Wie ein Conzenberger schwur.

[221] Mündlich von Wurmlingen.


Vor langen Zeiten stritten die Nendinger und die Wurmlinger um die Waldesgrenze. Die Nendinger heißen den Wald »Schoren« (Schåre), die Wurmlinger »Gêren«. Es handelte sich um 80-90 Morgen. Um nun die Grenzmarken festzusetzen, mußten von Conzenbergischer Herrschaft und von Enzbergischer Herrschaft Abgeordnete an Ort und Stelle auf den Gêren, um zu schwören, wessen von beiden Eigenthum dies sei. Der Conzenbergische Herrschaftsvogt war ein übelgesinnter Mann. Er nahm, bevor er auf den Gêren ging, vom Vogteigarten in Wurmlingen eine Hand voll Erde, legte sie in seine Schuhe; unter seinen Hut steckte er einen Löffel und in sein Haar einen Kamm. An Ort und Stelle angekommen, schwur er also: »So wahr mein Schöpfer und Richter über mir ist, so wahr stehe ich auf meinem eignen Grund und Boden.« Die Enzbergisch-Nendinger verloren den Gêren bis auf eine Halde, die Wurmlinger gewannen. Dafür, sagen jene, müsse der treulose Schwörer umgehen193.

193

Vgl. Rochholz A.S. I. Nr. 214. 33, wo der Klostervogt von Muri so schwört. Schambach und Müller, nieders. Sg. Nr. 41. – Grimm, d. Sg. I. Nr. 100. B. Baader, Nr. 345. Ein ähnlicher hinterlistiger Schwur mit fremder Erde in den Schuhen, der aber bestraft wird, siehe Maurer, isländ. Sg. S. 203-204. Eine ähnliche rechtsalterthümliche Sage las ich irgendwo von etlichen Schöffen einer norddeutschen Stadt, wenn ich recht daran bin, von »Halle«. Vgl. auch die Sagen im Taschenbuch der historischen Gesellschaft des Kantons Aargau v. 1860. S. 139 ff. (Rochholz.) Betreffend den Namen »Schoren«, so kehrt er in unzähligen Waldnamen Schwabens wieder; ebenso »Gêren«.

Quelle:
Anton Birlinger/ M. R. Buck: Sagen, Märchen und Aberglauben. Freiburg im Breisgau 1861, S. 221-222.
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