671. Mondfanger.

[446] Die Altheimer (Riedlingen) ärgerten sich sehr, daß die Sonne, wenn sie über den Oesterberg aufging, die ganze Gegend vergoldete. Sie hielten diesen Schein für die Ursache der Oede ihres Berges und konnten nicht anders glauben, als daß die Sonne dem Berg zu nahe hange und ihn ausdörre. Die Gemeinde beschloß daher, die Sonne und ihren Kameraden, den Mond, auf dem Oesterberg in Netzen zu fangen und in einem eigens auf dem Kirchthurm hergerichteten Kasten[446] aufzubewahren, um sie nach Lust und Lieb scheinen lassen zu können. Die guten Altheimer glaubten, die Sonne möchte ihr Netz durchreißen, und schlugen daher noch Pfähle in den Berg, um es zu befestigen. Die Schlauen lauerten hinter Wachholdersträuchen auf den Fang. Aber die Sonne lief zu ihrem großen Schrecken über das Netz weg. Sie hielten aber das für die Ursache, daß der Berg gerutscht sei und schlugen gewaltige Pfähle in den Fuß des Berges. Aber auch diese Vorsicht führte nicht zum Zweck. Sonn und Mond gingen ihren alten Weg, und seither lächelt der Mond, den Altheimern zum großen Aergerniß366.

366

Ganz das Gleiche sagt man von den Munderkingern. Vgl. Sebst. Sailers Sonn- und Mondfang. Bair. Volksbüchl. II. 212.

Quelle:
Anton Birlinger/ M. R. Buck: Sagen, Märchen und Aberglauben. Freiburg im Breisgau 1861, S. 446-447.
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