691. Die sieben Schwaben in der Schweiz374.

[460] Mündlich von Saulgau.


Gingen einmal sieben Schwaben, sechs Gemeinderäte mit dem Schultheiß an der Spitze, über das schwäbische Meer in die Schweiz, ob wallfahren oder des Vergnügens halber, weiß man nicht. Die hatten gewaltig Respekt bekommen vor den Wassern des schwäbischen Meers, also, daß sie im Thurgau vor einem blühenden Flachsacker angekommen, die wogende blaue Fläche abermals für ein Meer hielten. Da die Blüte bethaut und das Wasser so naß war, die Sieben aber um jeden Preis weiter kommen wollten, berieten sie sich, was zu thun sei. Da entschlossen sie sich heldenmüthig – alle Sieben mit dem Schultheiß voran – das Meer zu durchschwimmen. Nach unsäglicher Mühe und Anstrengung waren die Sieben jenseits der Flachsbreite angekommen und zählten ab, ob sie noch ihrer Sieben und nicht etwa einer ertrunken sei. Und zum immer größeren Entsetzen gewahrten sie, daß Einer fehle. Wie sich geziemte, nahm die richtende und strafende Gewalt, der Schultheiß, die Zählung vor, und wohl wissend, welch exemten Stand er einnehme, beliebte er zu zählen. Jezt Schultheß bin ih – du wärest der airst, du der zwoit u.s.f. Aber so brachte er nur Sechse heraus. Da ging ein Bruder Straubinger an den ratlosen Gemeinderäten vorüber und fragte, was sie hinter dem Ohr zu kratzen hätten. Da eröffneten sie ihm ihre Pein. Nun lag nebenan auf dem Wege ein frischer Kuhfladen, und er riet den Sieben, sie sollen Alle, der Reihe nach mit dem Schultheißen[461] an der Spitze, ihre Nase in diesen Fladen stoßen und nachher abzählen, wie viel es Löcher wären. Und siehe da, es fanden sich sieben Nasenspuren im Fladen und so reiseten die Sieben getrost weiter375.

374

Die Neunzahl ist die ältere Auffassung (Kirchhoffs Wendunmuth I. Nr. 274). Menzel, deutsche Dichtg. II. S. 72 ff.

375

Vgl. Volksbüchlein I. 225 ff. Ueber die Schwaben-Schwänke vgl. ebendas. I. 195-263. Die Abhandlung S. 283 ff. Ferner II. 221-296. Abhdlg. 317 ff. Von den Herulern heißt es: »Herulorum exercitus dum hac illacque diffugeret tanta super eos caelitus ita respexit ut viridantia camporum lina cernentes natatiles aquas esse putarent.« Paul. Diac. I. 20. Vgl. auch II. Könige 3, 22 ff. Vgl. ferner das 149. Märchen der Brüder Grimm; Haupt, Zeitschr. VI. 257. 258. Menzel, deutsche Dichtg. I. 4. II. 73.

Quelle:
Anton Birlinger/ M. R. Buck: Sagen, Märchen und Aberglauben. Freiburg im Breisgau 1861, S. 460-462.
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