88.

[73] Der Palmen wird in der Gegend von Saulgau, wie überhaupt im Oberland auf mehr oder weniger künstliche Weise gemacht. Wer den schönsten Palmen hat, rechnet sich[73] solches zur großen Ehre an. Ist der Palmen geweiht und bringt der Träger denselben nach Hause, das ein werktagsschulpflichtiger Knabe ist, so geht er mit dem Palmen drei mal um das Haus herum und betet bei jedem Gange ein Vaterunser. Der Palmen ist zusammengesezt aus Bux, Seven, Wachholder, weißtannen Reis, Kreuzlein von Holder, Aepfel, vergoldeten Eiformen und Nüssen. Die Aepfel werden nunmehr von der ganzen Haushaltung verzehrt. Dann wird der Palmen an die Stall- oder Hausthüre oder an's Scheuerthor genagelt und verbleibt daselbst, bis er herunterfällt. – Kommt im Sommer ein Gewitter, so wird etwas vom Palmen oder der Weihbuschel im Feuer verbrannt, damit das Wetter nicht in das Haus schlägt.

In der Gegend von Gmünd heißt der Palmen Palmbesen, weil er wie ein Besen aussieht und auch ebenso an einen Stiel gesteckt wird. Er ist aus so viel kleinen Palmen zusammengebunden, als man Gelasse im Haus und in der Scheuer hat. Zu jedem Büschelchen nimmt man einen Palmzweig, ein Reislein Seve und Bux und er wird zusammengebunden mit einem Faden. Der Palmzweig ist von einer gelbblühenden Weidenart. Ist der Palmbesen geweiht und nach Hause gebracht, so werden die einzelnen Büschelchen in alle Gelasse vertheilt. In der Stube, Kammer etc. wird der kleine Palmen hinter das Kruzifix gesteckt. Solches thut der Hausvater immer selbst.

Quelle:
Birlinger, Anton: Sitten und Gebräuche. Freiburg im Breisgau 1862, S. 73-74.
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