130.

[104] Am St. Johannistag wird in Ertingen vor dem Dorf an mehreren Stellen Abends, wenn es dunkel geworden, Feuer angemacht: das »Senkafuir«. Erst betteln die Buben das Holz im Dorf zusammen, indem sie rottenweise unter dem Geschrei:


Sant Veit Sant Veit, Sant Gloria,

Keiet mer au a Scheitle ra,

Oins, zwoi oder drui,

Komm i au zum Senkafuir!
[104]

durch die Gassen ziehen. Reicht das zusammengebettelte Holz nicht hin, so geht man auf's Rauben, bis hinlänglich viel Hòlz, Reisig und gespalten Holz zusammengebracht ist. Jezt wenn das Feuer lustig brennt, hüpfen Buben und Mädchen – in Uttenweiler so, daß sich das Pärchen die Hände reicht – über die Flammen in ganzen Reihen hinter einander, indem sie dabei unablässig rufen:


Hans, Hans Seaga,

Laß mer mei Werg drei Ehla lang weara!


Damit aber Einem die Hexen nichts anhaben können, weil's doch schon nach Betläuten ist, wenn man das Senkenfuir anzündet, wirft man Beifuß, Tauten, St. Hansen Gürtelkraut und Geweihtes in die Flammen. Nicht selten wird auch eine Hexe verbrannt in Gestalt einer Vogelscheuche, oder noch einfacher einer Reisbuschel oder eines Roggenschaubs. Bisweilen werden auf hohe Stangen Reisbündel gesteckt, welche man dann Hexennester nennt und durch eine aufsteigende Lunte anbrennt; man stellt sich dabei vor, wie die Hexen hoch oben in der Luft sitzen. So weit die Helle der Flamme und der Rauch hinreichen, haben sie keine Gewalt für dieses Jahr. Ich erinnere mich noch, wie zu meinen Knabenzeiten ein Mann von Gemeindswegen beim Feuer aufgestellt war, um Ordnung zu halten; er mußte aber immer auch die Kunst verstehen, den Brand zu löschen, da wir Kinder alle barfuß gingen und manchmal die Füße in den Flammen verlezten oder auf glimmende Kohlen traten. Die Flamme war bei den älteren Buben immer mannshoch. Die kleinen hatten nur ein sehr bescheidenes Feuerchen zum Ueberspringen.

Der Scheiblensonntag oder der weiße Sonntag, acht Tage nach Ostern. – Nachts gehen die Buben und Mädel[105] auf's Feld hinaus, gewöhnlich auf eine Anhöhe, schüren da ein großes Feuer an und singen und scherzen, wie's junge Leute machen, wenn sie allein sind. Die Buben »schlagen« ihrem Schatz ein oder mehrere »Scheiben« und singen dabei:


Scheible auf, Scheible a,

's Scheible goht krumm, goht grad,

's Scheible goht räacht, goht schläacht,

's goht über älle Aecker und Wiese na,

Der und dem a herztausige guete Nacht!


Die Scheiblen werden von schon gerundeten Wellen abgeschnitten und sind mitunter so groß, wie Räder an Kinderwägelchen, haben im Mittelpunkt ein Loch, durch welches man einen Stecken steckt; mit diesem Stecken hält man das Scheible in's Feuer, bis es gehörig brennt, und schwingt es jezt einige Mal im Kreise herum, bis es lichterloh fackelt, jezt schlägt man es mit einem kräftigen Wurf in die Nacht hinaus, daß es wirbelnd durch die Luft dahinrollt, während der angeführte Spruch dazu gesungen wird. Damit die Scheiblen aber besser brennen oder fackeln, werden sie nicht selten mit Pech oder Schwefel überzogen. Ist das Scheibenschlagen zu Ende, gehen die Bursche mit ihren Mädchen in's Wirtshaus, um zu zechen26.

26

Von Herrn Dr. Buck mitgetheilt.

Quelle:
Birlinger, Anton: Sitten und Gebräuche. Freiburg im Breisgau 1862, S. 104-106.
Lizenz:
Kategorien:
Ausgewählte Ausgaben von
Sitten und Gebräuche
Sitten und Gebräuche