6. Das Brautfuder.

[332] Unter »Brautfuder« versteht man die Aussteuer der Braut, die nach der Hochzeit auf einem mit vier Rossen bespannten Wagen nach dem Hofe und der Heimat des neuen Ehepaares gefahren wird. Es ist dies ein wahrer Triumphwagen. Pferde, Wagen, Peitsche, alles flattert voll von Bändern, Maschen etc. in festlichem Schmucke. Oben auf dem hochaufgethürmten Wagen steht die urdeutsche Kunkel mit angelegtem Werg, ebenfalls festlich ausstaffirt. Daneben sizt der Schreiner, der die Möbelsachen des Bauers und der Bäurin verfertigte. Von allen Höfen, wo's vorbeigeht, knallen Böller- und Pistolenschüsse. Alles jauchzt dem Wagen entgegen und in allen Höfen herrscht fröhliches und heiteres Leben und Treiben. Da, wo das Brautfuder schon vor der Hochzeit, was das regelmäßigere ist, abfährt, fahren Braut und Bräutigam schon Vormittags durch, was ebenfalls in den Höfen, die es angeht, festlich begangen wird. Knechte und Mägde, Alles ist im Festgewande zu sehen. Wieder in andern Gegenden kommt das Brautpaar erst nach dem Wagen. Die Braut bleibt selbige Nacht bei des Bräutigams Leuten und wird erst am folgenden Tage wieder heimgefahren. Ueberall, wo sie vorbeikommen, Begrüßungen und Beglückwünschungen. Geld wird viel an Kinder und Arme unterwegs ausgetheilt.

Dieser Hochzeitwagen spielt eine große Rolle im schwäbischen Volksleben. Auf der Alb im Münsinger Oberamte, in Justingen, Magolsheim etc. sind die Hochzeitbetten aufgemacht und vollständig gerichtet oben auf dem Brautwagen, so daß man gerade hineinliegen könnte. Ebenfalls steht eine Kunkel droben, aber nicht mit Werg angelegt, sondern mit[333] allen möglichen Hochzeitsgeschenken behangen: Kessel, Kupfergeschirre, Waschbecken, meistens Eisen- und Blechgerätschaften.

Die Züge aus der oberschwäbischen Hochzeit sind aus der Gegend von Bodnegg, Kißlegg, Haßlach, Eisenharz, Grünkraut etc.

Quelle:
Birlinger, Anton: Sitten und Gebräuche. Freiburg im Breisgau 1862, S. 332-334.
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