357. Scheeren in's Grab geben.

[407] Vor Zeiten und jezt noch hie und da scheint eine Sitte in Schwaben gäng und gäbe gewesen zu sein, nämlich Scheeren den Todten mit in's Grab zu geben. Ueber die Zahl ist mir nichts genauer bekannt, weil bald eine, bald mehrere noch jezt in Gräbern gefunden werden. In der Gegend des mittleren Kochers wurden deren fünf gefunden, wovon die fünfte in den andern verhängt gewesen sein soll. Sie waren unsern Schafscheeren ähnlich und rohe Werkzeuge aus älterer Zeit. In Hohenstadt soll es erst noch vor 25 Jahren Sitte gewesen sein, einer Näherin eine Scheere mitzugeben. In Riedlingen ist noch der Gebrauch, einer Frau, die als Wöchnerin stirbt, eine kleine eiserne Pfanne und eine Scheere mit in den Sarg oder in das Grab zu geben, »damit die Arme Ruhe habe und ihrem Kindlein kochen und nähen könne«.

Wichtig ist, daß diese Scheeren nachher eifrig gesucht werden, so daß das Grab geöffnet wird. Aus ihr werden dann Krampfringe gemacht, mit denen man großen Unfug treibt. Diese eisernen Ringe sollen gegen Krämpfe unfehlbar helfen und werden gerne getragen. Ein Betrug läuft immer mitunter, da gewisse Leute auch geweihte haben wollen173.

173

In Ulm und Augsburg sind solche Scheeren aufbewahrt. Die Augsburger Scheere wurde in den Nordendorfer Gräbern gefunden.

Quelle:
Birlinger, Anton: Sitten und Gebräuche. Freiburg im Breisgau 1862, S. 407-408.
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