388. Spinnstube.

[430] Die Lichtstuben werden von jungen Leuten beiderlei Geschlechts besucht. Die Mädchen setzen sich rund um das Licht und erhalten von der den »Vorsitz« führenden anerkannt Tüchtigsten ihre Aufgaben im Spinnen, Nähen, Stricken etc. Zur Unterhaltung wird gesungen, gelacht und »grausige« Geschichten erzählt; die Bursche haben ihren Platz[430] hinter den Mädchen, dürfen sie necken, vom Geschäfte abzuhalten suchen, müssen sich's jedoch gefallen lassen, wenn das Mädchen seine schlagfertige Hand in derbe Berührung mit ihren Gesichtern bringt. Will einer sich unanständig aufführen, so winkt der Hausherr dem Nächsten, und augenblicklich wird der Schuldige hinausgeworfen und darf den ganzen Winter bei keiner öffentlichen Gelegenheit sich mehr zeigen. Dise Lichtstuben dürfen nur von solchen Buben besucht werden, die in ihrem Geschäfte als tüchtige Leute anerkannt sind, und dise dürfen auch rauchen. Hiezu gehören auch Soldaten. Kommt aber ein Laffe, der noch zu jung ist oder nichts gelernt hat, so wird er hinausgeworfen; raucht er aber gar, so wird ihm die Pfeife aus dem Mund geschlagen, zertreten, ein Leintuch oder Kinderwindel ihm umgehängt und er sofort an den Ofen gestellt als Zielscheibe des Spottes, wobei ihm die Mädchen einen Schlozer in den Mund stecken.

Oberndorf a.N.

Quelle:
Birlinger, Anton: Sitten und Gebräuche. Freiburg im Breisgau 1862, S. 430-431.
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