389.

[431] Namen für die Spinnstube sind: Karz, Kâz, Lichtkarz, Netze, Heimgarten, Vorsitz, Hoierlaus. Dem entsprechend gibt es einen Lichtgang, Lichten, z'Licht gehen, zum Rockenlicht gehen, in den Rocken fahren, in die Kunkel gehen etc.

Die Kunkelstuben dürfen in gewissen Gegenden nur solche Bursche besuchen, die entweder bereits ein Handwerk gelernt haben, oder als Knechte im Stande sind, allein einen Garben- oder Heuwagen hoch, schön und im Gleichgewicht zu laden und gerade Furchen zu ackern. Alle dise dürfen auch rauchen. Die gleichen Rechte hat auch der Soldat. Kommt aber ein blutjunges Bürschlein, das nichts gelernt hat, so wird es hinausgewisen, ihm die Pfeife aus dem Mund geschlagen,[431] zertreten, ein Leintuch oder eine Kinderwindel über seinen Rücken gehängt, einen Schlozer in den Mund gemacht und allgemein verspottet.

Eine beliebte Sitte ist das Angelnschüttlen (ëegeme şüttle); es ist ein Vorzug des Geliebten oder des Wolgelittenen. Jede Spinnerin hat in gewissen Orten ihren Abschüttler, der muß beim Schlusse der Spinnstube im Frühjahr etwas bezalen.

Nach alter Sitte läßt das Mädchen Spindel und Wirtel auf den Boden fallen, der Bursch hebt sie auf, worauf sie ihm irgend etwas schenken muß.

In einigen Gegenden Schwabens wurde früher häufig das »Schuhschoppen«191 gespilt. Man saß im Kreis in der Stube herum, zog einem Mädchen einen Schuh aus, einem andern wurden die Augen verbunden. Die Mädchen (Bursche durften nicht dabei sein) zogen die Füße etwas auf, und durch die so entstandenen Kniewinkel wurde der Schuh von einer der andern zugeschoben. Die Blinde mußte suchen, und bei welchem Mädchen sie den Schuh fand, das mußte heraus und sie durfte hinein, worauf jener die Augen verbunden wurden. Dises blinde Kuhspiel konnte oft wiederholt werden.

Rottenburg.

Im Oberamt Blaubeuren waren die Lichtstuben, von beiderlei Geschlecht besucht, verboten. Scharwächter und Landjäger hatten den Auftrag, nachzusehen. Wurde eine solche Gesellschaft beisammen gefunden, so war gegen 3 bis 4 fl. Strafe auf den Kopf gesezt. Im Unterland drunten muß da und dort die Hausfrau für die gute Aufführung der Spinnerinnen im Vorsitz haften. Die Strafe des Zuwiderhandelns[432] trifft nicht die Mädchen, sondern die Frau selbst192.

191

Das »Schuhschieben«.

192

In dem Generalrescript vom 29. Juli 1642 S. 427 im fünften Band der Reyscher'schen Sammlung heißt es:

»Es sollen auch die Nachtkärtze, außerhalb so nur Weibspersonen allein, etwa zur Ersparung des Lichts wegen spinnens oder Verrichtung anderer nützlichen Geschäften und darüber Gottseliger erbawlicher Gespräch, an unverdächtigen Orten zusammen kommen, wie auch oberwehnte Eigenbrödlerin und ihres Gleichen, welche zu allerhand Lenociniis, Kuppeleien und dergleichen verführerischen Unthaten, meisterlich zu helfen wissen, mit angelegenem scharfem Ernst stracks abgeschafft und fürtherhin dergleich keineswegs mehr im Geringsten geduldet werden.«

Quelle:
Birlinger, Anton: Sitten und Gebräuche. Freiburg im Breisgau 1862, S. 431-433.
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