Fünfter Auftritt.

[55] RAHEL hört man, wie sie von drinnen angstvoll ruft. Elias! Sie kommt von rechts hereingestürzt und steuert gerade auf das Fenster zu; sie öffnet es, indem sie aus Leibeskräften ruft. Elias! Dann sinkt sie hintenüber und würde fallen, wenn Kröjer sie nicht auffinge. Sie bricht in Tränen aus, steht aber gleich wieder auf, indem sie entsetzt auf das Zimmer rechts deutet. Da! Da! Sie ist nicht mehr allein! – Seht doch hin, – seht! Alle sind aufgestanden. Im selben Augenblick wird Elias auf dem Söller sichtbar. Rahel reißt sich gleich los und eilt ihm entgegen. Die Mutter! Die Mutter!

ELIAS. Ist sie aufgestanden?

RAHEL. Ja, ja!

ELIAS. Und geht?

RAHEL. Aber sie ist nicht allein!

ELIAS. Das sollen die andern hören!

RAHEL. Aber nicht zu Vater hinein!

ELIAS. Nein, aufs Dach – zum Glockenturm, es in die Lande läuten! Eilt davon.[55]

RAHEL. Aber Du hast ja keine Leiter?! Bekommt keine Antwort; ängstlich. Aber es ist ja keine Leiter da!

KRÖJER mit einer Handbewegung, leise. Psst!

DER BISCHOF flüsternd. Hört nur! Man hört aus der Kirche.

Halleluja, halleluja!

Halleluja, halleluja!

ALLE sinken in die Knie, indem sie flüstern. Er weiß es! Er weiß es!


Da kommt Klara, langsam schreitend, in ihrem weißen Leinengewande. Die Augen sind intensiv auf die Kirche gerichtet. Sie bleibt stehen und breitet die Arme dem Gesang entgegen.


ALL DIE GEISTLICHEN antworten in leisem Chor.

Halleluja, halleluja!

Halleluja, halleluja!


Nun fällt der Klang der Kirchenglocke und alles Volk ein. Es ist solche Gewalt des Jubels in der Luft, daß man meinen kann, es sei der Gesang von Tausenden. Und der Jubelton wächst, weil die Leute aus den Hainen herzueilen. Einen Moment scheint es, als trügen diese Hallelujas das Haus vom Boden weg.

Sang erscheint in der Tür. Die Abendsonne beleuchtet sein Gesicht. Alles steht auf, alles tritt zurück.

Er streckt seine beiden Arme Klara entgegen; er schreitet vor und schließt sie in seine Arme. Der Gesang umbraust sie. Die Stube ist voll von Menschen; auch der Söller. Wie ein Wall stehen sie,

der nach oben wächst. Einige sind vor das Fenster getreten.

Da gleitet Klara langsam an seiner Schulter hernieder. Der Gesang verstummt; nur die Kirchenglocke läutet. Sie macht eine Anstrengung, als wolle sie sich fassen und aufstehen. Es gelingt ihr nur halb, indem sie den Kopf emporhebt und Sang anblickt.


KLARA. Du Strahlender, – der Du gekommen, ... mein Geliebter! Ihr Kopf fällt wieder herab; sie läßt die Arme herniedergleiten; der ganze Körper sinkt in sich zusammen.

SANG steht da und hält sie, indem er seine Hand ihr aufs Herz legt; er beugt sich über sie, verwundert. Richtet die Augen empor und sagt kindlich. Aber, das war doch nicht der Zweck –? Er beugt das eine Knie und legt den Kopf Klaras darauf; untersucht sie; legt sie vorsichtig auf die Erde und steht auf, indem er[56] abermals die Augen emporrichtet. Aber das war doch nicht der Zweck –? Oder –? – – Oder –?


Er faßt sich ans Herz; fällt zu Boden.

Rahel hat wie versteinert dagestanden und zugesehen. Jetzt tut sie einen lauten Schrei und fällt vor ihren Eltern auf die Knie.


KRÖJER. Was meinte er – mit dem »oder« –?

BRATT. Ich weiß nicht genau –. Aber er starb daran.

RAHEL. Starb? – Das ist ja nicht möglich!


Die Glocke tönt weiter.
[57]

Quelle:
Björnson, Björnstjerne: Gesammelte Werke. Berlin [1911], Band 5, S. 55-58.
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