Dritte Szene

[37] Josepha – Siedler.


SIEDLER auf den Balkon tretend. Morgen, Frau Josepha!

JOSEPHA. Grüß Gott! Herr Doktor! Sein Sie aber an Langschläfer!

SIEDLER. Was meinen Sie aber auch, was ich nachzuholen habe! So ein Berliner Winter – wissen Sie, was das heißt?[37]

JOSEPHA. Kann mir's schon denken!

SIEDLER. Nun sagen Sie mir aber vor allen Dingen, wie ist es denn gestern noch mit den anderen Herrschaften geworden?

JOSEPHA. Na, die Damen sein in der Dependance ...

SIEDLER. Und der Herr Giesecke?

JOSEPHA. Der hat noch an bissel gebrummt – aber, wie er naß genug geworden war, hat er nachgegeben, und da der Herr auf Nummer zehn plötzlich hat abreisen müssen, hab' ich ihn noch gut untergebracht Sie – das ist aber ein grantiger Herr!

SIEDLER lachend. Und ob! Aber was haben Sie denn da für schöne Blumen?

JOSEPHA. Die gehören für Ihr Zimmer! Jetzt zeigen's mal, ob's auch gut fangen können! Eins – zwei – und – Wirft ihm den Strauß hinauf.

SIEDLER den Strauß auffangend. Drei! Das lasse ich mir gefallen! Das ist ein entzückender Morgengruß! Da will ich mich aber auch sofort revanchieren! Nun zeigen Sie mal, ob auch Sie gut fangen können ... Eins – zwei – und Handkuß werfend. drei – haben's ihn?

JOSEPHA etwas verschämt. Schade ... is daneben g'flogen!

SIEDLER. Ja, da bleibt nichts übrig – da muß ich ihn schon persönlich herunterbringen! ... Entschuldigen Sie nur einen Augenblick! Ab in das Zimmer.

JOSEPHA. Wenn das der Leopold gesehen hätt'! Ich dank schön! Sich selber drohend. Sie, Frau Josepha – die Geschichte mit Ihnen kommt mir selber net ganz richtig vor! Nach oben Kußhand werfend. Da hast's lieber zurück, dein Busserl!


Quelle:
Oskar Blumenthal und Gustav Kadelburg: Im weißen Rössl. Berlin 16[o.J.], S. 37-38.
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