Die 17. Histori sagt, wie Ulenspiegel alle Krancken in einem Spital uff einen Tag on Artznei gesund macht.

[51] Uf ein Zeit kam Ulenspiegel gen Nürnberg und schlug groß Brieff an die Kirchthüren und an daz Rathuß und gab sich uß für ein guten Artzet zu aller Kranckheit. Und da was ein grosse Zal krancker Menschen in dem nüwen Spital, daselbst, da das hochwirdig heilig Sper Cristi mit anderen mercklichen Stücken rasten ist. Und derselben krancken[52] Menschen, der wär der Spitelmeister einsteils gern ledig gewesen und hat ihn Gesuntheit wol gegund. Also gieng er hin zu Ulenspiegel, dem Artzet, und fragt ihn nach, laut seiner Brieff, die er angeschlagen hät, ob er den Krancken also helffen kunt. Es solt ihm wol gelont werden. Ulenspiegel, der sprach, er wolt ihn seiner Krancken vil gerad machen, wann er wolt zweihundert Gulden anlegen und ihm die zusagen wolt. Der Spitelmeister sagt ihm daz Gelt zu, sofern er den Krancken hülff. Also verwilliget sich Ulenspiegel, wa er die Krancken nit grad macht, so solt er ihm nit ein Pfennig geben. Daz gefiel dem Spitelmeister wol und gab ihm 20 Guld daruff. Also gieng Ulenspiegel in Spital und nam zwen Knecht mit ihm und fragt die Krancken, einen jetlichen, waz ihm gebrest. Und zuletsch, wann er von einem Krancken gieng, so beschwur er ihn und sprach: »Waz ich dir offenbaren wurt, das solst du bei dir heimlich bleiben lassen, vor nieman offenbaren.« Das sagten dan die Siechen Ulenspiegel bei grossem Glouben zu. Daruff sagt er dann einem jetlichen bsunders: »Sol ich nun euch Krancken zu Gesuntheit helffen und uff die Fuß bringen, das ist mir unmöglich, ich verbren dann euwer einen zu Pulver und gib daz den andern in den Leib ze trincken. Daz muß ich thun. Darumb, welcher der Kränckest under euch allen ist und nit gon mag, den wil ich zu Pulver verbrennen, uff daz ich den andern helffen mög damit. Euch all uffzebringen, so würde ich den Spitalmeister nemen und in der Thür des Spitals ston und mit luter Stim rüffen: ›Welcher da nit kranck ist, der kum heruß!‹ daz verschlaff du nit.«

So sprach er zu jeglichem allein, dann der letst muß die Ürten bezalen. Solcher Sag nam jeglicher acht und uff[53] den gemelten Tag eilten sie sich mit krencken und lammen Beinen, als keiner der letst wolt sein. Da nun Ulenspiegel nach seinem Anlaß raffte, da begunden sie von Stat lauffen, etlich, die in 10 Jaren nit vom Bet kumen warn. Und da daz Spital nun gantz ler waz, da begert er seines Lons von dem Spittelmeister und sagt, er müst an ein ander End eilens. Da gab er ihm das Gelt zu grossem Danck. Da reit er hinweg. Aber in dreien Tagen, da kamen die Krancken all herwider und beclagten sich ihrer Kranckheit. Da fragt der Spittelmeister: »Wie gat das zu? Ich hett ihn doch den grossen Meister zubracht, der ihn doch geholffen hät, das sie all selber davongangen waren.« Da sagten sie dem Spitalmeister, wie daz er ihn getrouwt hat. »Welcher der letste wär zu der Thür hinuß, wenn er der Zeit rufft, den wolt er verbrennen zu Pulver.« Da mercket der Spitalmeister, das es Ulenspiegels Betrug was. Aber er was hinweg, und er kund ihm nüt an gewinnen. Also bliben die Krancken wieder im Spital wie vor und was das Gelt verlorn.

Quelle:
Ein kurtzweilig Lesen von Dil Ulenspiegel. Stuttgart 1978, S. 51-54.
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