Dritte Scene.

[15] FAUST'S VATER ein Landmann, tritt ein und geht an's Tischchen Wagner's; ehrwürdiger, noch rüstiger Greis.

Gott zum Gruß! – Da geht's ja lustig her![15]

STUDENTEN.

Recht frohen Abend! –

FAUST'S VATER.

'Nen Schoppen Wein,

Vom besten; kann sonst nicht weiter mehr.

Hier soll ja das Haus Doctor Faust's wo sein?


Setzt sich.


WIRTH während ihm Annchen Wein vorsetzt.

Unweit von hier. Doch, Alter, ihr geht

Wol heute nicht hin mehr; s'ist schon spät.

FAUST'S VATER trinkt.

Spät? Mag sein; zu spät aber nicht;

Er blickt mir zu jeder Stund' in's Gesicht.

WAGNER.

Ich nill euch melden, bin sein Famulus.

FAUST'S VATER.

Ja? Nu, so bringt ihm den herzlichsten Gruß

Von seinem alten Vater –


Trinkt.


WAGNER.

Ihr wär't – ihr seid –?

ALLE STUDENTEN froh durcheinander.

Faust's Vater? Er lebt noch? der wackere Mann?

FAUST'S VATER.

Faust ist mein Sohn.[16]

WAGNER ihn küssend.

O wie bin ich erfreut,

Daß ich ihm die Freude bringen kann,

Meinem überaus trefflichen Herrn!

FAUST'S VATER.

Ihr nennt ihn trefflich? Das hör' ich gern.

WIRTH.

Wie mag sich der arme Doctor freu'n!

FAUST'S VATER.

Warum der arme Doctor? Sagt an!

WAGNER.

Kommt nur, Alles erfahrt ihr dann.

Mein Herr wird reich und glücklich sein;

Darf er den Vater wieder mal grüßen,

An's verkannte, verlaßne Herz wieder schließen.

FAUST'S VATER.

Verkannt? Verlassen? –

KERN.

Wir begleiten euch hin!

ALLE STUDENTEN.

Ja, guter Vater, wir geh'n alle mit!

FAUST'S VATER stolz lächelnd.

Er ist nicht verlassen, so lang ich bin,

Verkannt mag er sein, daß wird er schon quitt.


Trinkt.


Glaubt ihr denn, ich käm' so ganz leer?

Mein Hans hat mich freilich gekostet schon viel,[17]

Gott aber lebt noch, alles Andr' ist Spiel;

Wer auf ihn vertraut, sinkt nimmermehr.

So lang noch mein Beutel 'nen Pfennig hat,

Will ich ihn theilen mit meinem Hans.

Er trifft wol noch einmal des Glückes Pfad;

Hand um, es erinnert sich solchen Manns

Und schließt ihn für immer in den Arm,

Und macht ihm das kalte Herz wieder warm.


Trinkt.


KERN.

Redlicher Greis, schon eurer wegen

Kann's ihm nicht fehlen an zeitlichem Segen!

FAUST'S VATER.

Seht, bin ein schlichter Landmann blos,

Hab' mich all' mein Tage gerühret wacker,

Zog von meinem kleinen Acker

Den Hans mir, wie er ist, so groß.

Er aber hatte daheim kein Bleiben,

Es schien der Geist ihn fortzutreiben,

Und er wollte nun mal hinaus, hinaus,

Zu eng für seinen Kopf war mein armes Haus.

Ich nahm dem Burschen das nicht eben krumm

Und sah mich nach dem Mittel, den besten um.

KERN.

Ihr gabt ihn nach Wittenberg zu Verwandten?

FAUST'S VATER.

Sein reicher Ohm in Wittenberg nahm[18]

Sich seiner an; nu, wie es so kam,

Nach und nach seine Lebensgeister entbrannten,

Und wie er so Alles und Jedes studirt,

Als Doctor und Magister ward graduirt,

Ihr wißt's wol, auch was mir viel Kummer gemacht,

Wie er das viele schöne Gold und Geld,

Die ganze reiche Erbschaft durchgebracht,

Daß es ihm oft am Nöthigsten fehlt.

Doch, was vorbei ist, ist vorbei,

Wie gewonnen, so zerronnen!

Für meinen Hans ist das Spielerei,

Er hat was gelernt ja, und ist besonnen.


Trinkt.


So. Ihr also führt mich zu ihm, ihr Herr'n?

Wer seid ihr?

KERN.

Studenten und seine Freunde.

Für Faust unser Leben wir ließen gern

Und erschlügen mit Lust all' seine Feinde!

FAUST'S VATER.

Er hat wol viel Feinde?

KERN.

Weil er Den übersieht,

Und Den; weil sein Geist ist ein Blitz,

Der niederschmettert den Afterwitz;

Weil er für das Erhabene glüht

Und das Gemeine tritt mit Füßen,[19]

Drob hat er Verdruß oft übergenung,

Wie's noch Jeder hat erfahren müssen,

Der was treibt mit Begeisterung.

Eben als ihr kamt, lieber Vater, schmissen

Zur Thüre wir' naus so'n Lästerpack

Von Kerlen, die ihn gern verbrennen ließen

Mit all' seinen Feinden so in dem Sack!

FAUST'S VATER.

Denkt er denn meiner?

WAGNER.

O, immer!

Ich sah ihn weinen um euch auf seinem Zimmer,

Vor Sehnsucht nach dem Vaterhaus.

FAUST'S VATER steht rasch auf.

Ei, so laßt uns denn geh'n!

ALLE.

Hinaus!

O köstlicher Abend, o Herzensschmaus!


Sie gehen.


WIRTH sie hinaus salutirend.

Haltet euch nur, verehrte Herren,

Eine Weile den Geprügelten fern.

KERN als der Letzte.

Es ist kein gefährlich Ding um die Rache

Von Leuten, die da erst holen die Wache.


Alle ab.


Quelle:
Braun von Braunthal, [Karl Johann]: Faust. Eine Tragödie, Leipzig 1835, S. 15-20.
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