Fünfte Scene.

[30] Straße vor Faust's Wohnung.

Das Häuschen steht vorne rechts. Mehre Fenster, über dem Thore ein Erker. Grünlich grelles Licht strömt durch die Scheiben, auch seltsames Getöse im Innern.


UNSICHTBARER CHOR mit Posaunen.

Um der Erde kurzes Leben

Ew'gem Tode sich ergeben,

Für des Diesseits karge Freude

Trotz des Jenseits reichem Leide!


Bewaffnete Bürger mit Laternen und Wache eilen bestürzt herbei.


NASE.

Dieser Gräuel, Gott, in uns'rer Stadt!

Ach, wer ist, der das erlebet hat?

MURRNER.

Weilt nicht länger, Freunde, laßt uns fort!

MEHRE BÜRGER ineinander.

Dies Gerassel, Stimmen hier und dort!

Höllisch Schwefellicht schlägt da heraus!

ZWITSCH.

Fort zum Schutz von Weib und Kind nach Haus.

NASE.

Hatten wir nicht Recht? Kein Zweifel,

Faust verkehrt drin mit dem Teufel![31]

MURRNER.

Wie gebannet, bleib' ich stehen,

Muß in das Entsetzen sehen!

MEHRE BÜRGER schreiend.

Die Studenten!

ANDERE.

Wache! Muth!

NASE.

O, das endet nimmer gut!


Alle Studenten mit Faust's Vater und Wagner aus der Tiefe links hervor.


KERN seinen Hieber ziehend.

Da stoßen wir auf ein Wespennest –

DIE BÜRGER schreiend.

Ergreift sie All' und haltet sie fest!

WAGNER.

Um Gott, es brennt des Doctors Haus!

NASE.

Faust gibt dem Teufel drin einen Schmaus!

KERN haut nach ihm.

Für dein Schandmaul dies zum Lohn!

FAUST'S VATER die Hände ringend.

Was sagt ihr da? Was thut mein Sohn?


Eilt mit Wagner hervor.

Die Wache greift an; man wird unter wildem Geschrei handgemein. Flammen schlagen zu Faust's Fenstern heraus. Die Sturmglocke ertönt, Volk eilt herbei und nimmt am Kampfe Theil. Inzwischen tönen Posaunen, unterirdisches Getöse, gespenstisches[32] Gelächter und Donner. Fechtend schreien Bürger und Studenten in einander.


Zurück! – Die Höll' ist los!

Hier diesen Stoß! –

Und wär's mit der Welt am Ende,

Fühlt noch erst unsere Hände! –

FAUST'S VATER in die Knie stürzend.

Der du so groß dich im Himmel erweist,

Gott! in deine Händ' empfehl' ich seinen Geist. –


Der Erker springt auf, eine grauenhafte Gestalt zeigt sich in Schwefellicht. Heftiger Donnerschlag. Alles flieht mit Angstgeschrei. Wagner reißt Faust's Vater an sich und eilt mit ihm hinaus.


Der Vorhang fällt.


Quelle:
Braun von Braunthal, [Karl Johann]: Faust. Eine Tragödie, Leipzig 1835, S. 30-33.
Lizenz:
Kategorien:

Buchempfehlung

Stifter, Adalbert

Der Condor / Das Haidedorf

Der Condor / Das Haidedorf

Die ersten beiden literarischen Veröffentlichungen Stifters sind noch voll romantischen Nachklanges. Im »Condor« will die Wienerin Cornelia zwei englischen Wissenschaftlern beweisen wozu Frauen fähig sind, indem sie sie auf einer Fahrt mit dem Ballon »Condor« begleitet - bedauerlicherweise wird sie dabei ohnmächtig. Über das »Haidedorf« schreibt Stifter in einem Brief an seinen Bruder: »Es war meine Mutter und mein Vater, die mir bei der Dichtung dieses Werkes vorschwebten, und alle Liebe, welche nur so treuherzig auf dem Lande, und unter armen Menschen zu finden ist..., alle diese Liebe liegt in der kleinen Erzählung.«

48 Seiten, 3.80 Euro

Im Buch blättern
Ansehen bei Amazon

Buchempfehlung

Geschichten aus dem Sturm und Drang II. Sechs weitere Erzählungen

Geschichten aus dem Sturm und Drang II. Sechs weitere Erzählungen

Zwischen 1765 und 1785 geht ein Ruck durch die deutsche Literatur. Sehr junge Autoren lehnen sich auf gegen den belehrenden Charakter der - die damalige Geisteskultur beherrschenden - Aufklärung. Mit Fantasie und Gemütskraft stürmen und drängen sie gegen die Moralvorstellungen des Feudalsystems, setzen Gefühl vor Verstand und fordern die Selbstständigkeit des Originalgenies. Für den zweiten Band hat Michael Holzinger sechs weitere bewegende Erzählungen des Sturm und Drang ausgewählt.

424 Seiten, 19.80 Euro

Ansehen bei Amazon