1203. An Grete Meyer

[133] 1203. An Grete Meyer


Wiedensahl Dienstag 30. Aug. 1898.


Liebe Grete!

Eben seh ich zu meinem Bedauern aus Hermann's Brief, daß du wegen einer Halsentzündung nicht mit nach Hattorf gekommen bist. Schreib mir, bitte, doch gleich, wie es dir geht.

In Norden gefiel mir's gut. Das Wetter war immer so mild, daß wir meist im Garten saßen, mehrmals sogar bis zwölf in der Nacht. Eines Sonntags waren wir auch in Norderney, von wo wir und Vater und Mutter Koch eine schöne Bilderkarte an dich abschickten.

Sehr befriedigt von meiner Ringelreise bei all den angenehmen Verwandten, bin ich nun am letzten Samstag zurück gekehrt. Indeß die kriegerischen Spiele meiner uniformirten Mitmenschen laßen mich nicht zur Ruhe kommen. Nämlich in nächster Woche wird hier alles überundüber vollgeproppt werden von lauter Soldaten. Drum hab ich vor, um diesem leidigen Gewurrl zu entfliehn, nächsten Montag für acht Tage nach Hattorf[133] zu reisen. – Wie schad, daß du dann nicht in Mechtshausen bist. Es wäre zu nett gewesen, wenn ich, ehe die Pflicht dich wieder nach Köln beruft, dich nochmals hätt sehen können.

Also, bitte, liebs Gredel, schreib mir alsbald. – Und wie befindet sich Annchen? Und was macht Bruder Oskar sein physiognomischer Querschnitt? – Leb wohl! Sei herzlich gegrüßt sammt Allen um dich herum von deinem

alten Onkel

Wilhelm.


Tante wird heut unterwegs sein zwischen Schwerin und Hattorf.

Denk nur, während ich weg war, hat ein Schwarzdroßelpärchen in der Akazie über der Laube gebaut, seine Jungen erzogen und fix und fertig in die Welt geschickt. So was geht schnell bei denen.

Quelle:
Busch, Wilhelm: Sämtliche Briefe. Band II: Briefe 1893 bis 1908, Hannover 1969, S. 133-134.
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