Fünfundzwanzigste Scene.

[96] Winter. Fledermaus.

Sehr stark betrunken, taumelt herein.


WINTER. Ich hab noch Wein stehen lassen Das weiß ich! So oft sich der Mensch zürnt, hab ich ein Mahl wo gehört, soll er trinken. –[96]

FLEDERMAUS sieht ihn. Bravo, Herr Patron – ich trink aber auch, wenn ich mich nicht zürne. Wo sind Sie denn so lange gewesen, daß ich Ihnen nicht gesehen habe. –

WINTER. Bruder, gut, daß du da bist! Wir reisen!

FLEDERMAUS. Ja, Bruder!

WINTER. In die Welt, nach Paris!

FLEDERMAUS. Ueber Neapel!

WINTER. Bruder, lebe wohl! Ich gehe rechts. –

FLEDERMAUS. Bruder, und ich links!

WINTER. Ich geh' mit meiner Sophie.

FLEDERMAUS. Und ich geh auch mit meiner Sophie. Besinnt sich. Bruder, verzeih mir, jetzt weiß ich nicht, gehst du mit meiner Sophie, oder geh ich mit der Deinigen?

WINTER. Es ist nur eine, das ist die meine! – Sie hat mir so eben dieses Billet in die Hand gedrückt, das muß ich nachlesen. Sapperment. Er wickelt das Papier auseinander. Mir ist als wenn ich vier Augen hätte! Ich seh alles vierfach!

FLEDERMAUS. Und ich habe einen Regenbogen auf meiner Nase. Ich sehe alle Farben.

WINTER. Hör' zu, ich will nun doch sehen, ob ich lesen kann.

WINTER etwas fester, und nach der Lesung des Briefes muthwilliger, liest. »Beyde habt ihr mir Liebe[97] geschworen! Beyde wollt ihr mit mir fliehen. Allein mit Zauberern und Teufelskünstlern zieh ich nicht! Ich stelle euch nun auf die letzte Probe. Ihr habt Reichthümer euch gesammelt, wozu braucht ihr ferner Satanshülfe! Stoßt eure Höllengeschenke von euch, und wer der erste ist, der sich im menschlichen Kleide zeigt, wird mich besitzen.«

Sophie.

WINTER reibt sich die Augen. Hab' ich recht gelesen?

FLEDERMAUS. Sie stichelt auf den Doctor Faust seine Verlassenschaft. Herr Bruder! mir scheint das schwarze Mädel hat Recht. Geld haben wir, was brauchen wir die Fetzen. –

WINTER stolz. Ja wohl, bis hierher waren sie gut genug! Sophie sieht heller als wir, ich hab es oft in meine Ohren gehört, ich sey überall gefürchtet aber nicht geliebt. Stampft auf den Boden. Basta, ich will geliebt seyn! Mein Glück wird mich nicht verlassen Hab ich doch erst falsche Spieler besiegt ohne Mantel. Ich bin's, der glücklich ist, nicht dieser Lappen.

FLEDERMAUS. Versteht sich! In uns liegt das Glück, denn diese Fetzen zu finden, wußte ja nur unser Glück. Sonst hätt' sie ja ein Anderer erwischen können! Darauf noch einen Tropfen. Das weiß der Teufel! Je mehr ich jetzt trink, desto g'scheidter red' ich, und desto heller denk ich. Wenn[98] das so fortgeht so kann ich auf die letzt noch meine eigenen Gedanken errathen. –

WINTER trinkt. Auch mir wirds hell und klar im Kopfe, und ich bin so muthig wie ich nie war. Sophie, ich bin der erste! Sieh, hier nimm mein Opfer, ich entsage dem Teufel, und komme zu dir reinen Engel!

FLEDERMAUS. Meine Kappe wird früher fliegen! Beyde legen Hand an, ihre Kleinodien wegzuschleudern.

WINTER. Halt! Noch eins! Was machen unsere Bräute; die müssen wir doch noch sehen! Zum Abschied, Mantel, zeig uns unsere verlassenen Schönen.

FLEDERMAUS. Ja wohl Käppchen! Dann zu dir Sophie! Sie schwingen ihre Zauberzeichen.


Die Baumgruppe auf der hintern Gartenwand öffnet sich. Großes Tableau. Musik. Nöthlich erleuchteter Saal. Hymen im weißen Flügelkleide steht auf einem

Opferaltar, worauf eine blaue Flamme brennt. Die Mädchen knien, und heben die gefalteten Hände hoch empor. Hymen schwingt eine Palme. Die Mädchen schauen mit freudigem Blicke auf die Lichtgestalt. Die Baumgruppe schließt sich wieder.


WINTER. Sie find getröstet. Jetzt hab ich keinen Wunsch mehr!

FLEDERMAUS. Mein Rosel hat so hübsch ihre Augen aufg'schlagen, daß ich mich bald wieder in sie verliebt hätt', wenn ich die Sophie nicht kennte. Sie ist mir viel schöner vorkommen. Natürlich, sie finden sich schon ganz in ihr Schicksal. Und endlich,[99] Hr. Bruder, wenn uns auch einst ohne Mantel und Kappe die Schätze ausgehen, so kehren wir zu unseren Amouren zurück, die haben wir ja reich gemacht; hat man den Weibern alles verschrieben, und der Mann macht Crida, dann geht das gute Leben erst wieder an, das ist ja was altes!

WINTER hat seinen Mantel inzwischen losgebunden. Die Probe ist bestanden! Was vermag nicht treue Liebe!

FLEDERMAUS bemerkt dieß. Ich bin der Erste! Sie schleudern ihre Zauberzeichen von sich. Ungeheurer Donnerschlag. Blitz. Wilder Accord in der Musik. Kappe und Mantel verschwinden unter feurigen Wolken.

WINTER. Nur zu! Der Abschied muß schrecklich seyn!

FLEDERMAUS. Sophie! Ich bin zur Reise bereitet. Es wird plötzlich finster.


Quelle:
Bäuerle, Adolf: Doctor Faust's Mantel. Ein Zauberspiel mit Gesang in zwey Acten. Wien 1819, S. 96-100.
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