Siebenter Auftritt

[45] Die Vorigen. Lysiart. Zwei Ritter, zwei Herolde und acht Pagen Lysiarts. Alle Anwesenden wenden sich erstaunt nach hinten und geben Raum.


LYSIART.

Mein König!


Er tritt vor, dem König zur Linken.


CHOR.

Jetzt schlägt der Entscheidung Stunde;

Allwissender, verleih' der Wahrheit Sieg![45]

EURYANTHE.

Mich faßt ein Grauen!

ADOLAR UND KÖNIG.

Mut und Vertrauen!

LYSIART.

Vernimm, es muß ja sein, von meinem Munde

Ein Glück, das ich so gern verschwieg:

Die Lande Adolars sind mein!

ADOLAR.

Dies Engelsantlitz straft dich Lügen. Nein!

ADOLAR UND KÖNIG.

Es ist unmöglich!

EURYANTHE.

Wie, mein Adolar,

Was ist geschehn? O löse dieses Bangen?

ADOLAR.

Komm an mein Herz! Von deinem Arm umfangen,

Der Hölle Trotz!

Dies Engelsantlitz kann nicht lügen,

Nein, nein, nein! es ist unmöglich, nein!

LYSIART.

Beweise bring ich dar.

CHOR.

Weh, Euryanthe, was hast du begangen?

LYSIART.

Bewundernswürdig ist's gelungen,

Dies stolze Herz im Sturm errungen!

EURYANTHE.

Was hör' ich! Lysiart! Errungen! Ihr!

Mein Herz? – Den Blick erhobt Ihr nicht zu mir.

LYSIART.

So schnöde nun, so liebreich noch zur Stunde?

ADOLAR.

Zur Fehde! zur Fehde!

ADOLAR, CHOR.

Zur Fehde! zur Fehde! zur Fehde!

KÖNIG.

Nein, gebt klare Kunde,

Zeigt den Beweis!

LYSIART zieht einen Ring vom Finger.

Dies Unterpfand

Der Liebe reichte mir die schönste Hand,

Mit Trauer muß ich wiedergeben,

Was ich empfangen ohne Widerstand!


Er giebt Euryanthe den Ring.


EURYANTHE den Ring emporhebend und auf die Kniee stürzend.

Der du die Unschuld kennst, beschütz' mein Leben!

Und wollte mich ein Höllennetz umweben,

Du rettest mich, wirst aus der Nacht mich heben![46]

ADOLAR zu Lysiart.

Nein, du errangst den Ring durch List!


Indem er Euryanthe aufhebt.


Mein reiner Engel, kannst du zagen?

LYSIART.

Wer sonst als Euryanth' und du kann sagen,

Was dieses Rings Bedeutung ist?

Die Gruft nur kannte Emmas Thaten!

ADOLAR.

Sprich, Euryanthe! hast du mich verraten?

EURYANTHE.

O Unglücksel'ge!

ADOLAR.

Brachst du deinen Eid?

EURYANTHE.

Ich that es.

ADOLAR.

Schlange!

EURYANTHE.

Unermeßlich Leid!

Doch treulos bin ich nicht.

ADOLAR.

Verworfne du,

Verstumme!

LYSIART.

Höre mir mit Fassung zu.

Die Wahrheit sprech' ich kühn und frei:

In heller Mondennacht, am letzten Mai

ADOLAR.

Vollende nicht, nimm alles, alles hin,

Mein Leben mit!

EURYANTHE wendet sich, an Adolar vorüber, auf die rechte Ecke.

Ach!

CHOR.

Ha, die Verräterin!

O Unthat, gräßlichste von allen,

Die jemals auf der Welt erhört!

Der Treue Bündnis frech zerstört,

Von Himmelshöh'n in Staub gefallen!

EURYANTHE.

Laß mich empor zum Lichte wallen,

Du, der die inn're Stimme hört!

KÖNIG.

Mein Glaub' an Tugend ist zerstört,

Denn dieser Engel konnte fallen.

EURYANTHE.

Laß mich empor zum Lichte wallen,

Du, der die inn're Stimme hört!

LYSIART.

Triumph! mein Flehen ist erhört

Und meinen Sieg sehn diese Hallen![47]

ADOLAR.

Fern in das Elend will ich wallen,

Wo niemand meinen Namen hört.

CHOR.

O Unthat, gräßlichste von allen,

Der Treue Bündnis frech zerstört,

Von Himmelshöh'n in Staub gefallen!

Ha, die Verräterin!

O Unthat, gräßlichste von allen,

Die jemals auf der Welt erhört!

Der Treue Bündnis frech zerstört,

Von Himmelshöh'n in Staub gefallen,

Der Treue Bund zerstört!

LYSIART kniet nieder.

Verleih mein Recht mir, großer König, nun!

Als Graf zu Nevers huldigt dir dein Knecht!

Die zwei Herolde Lysiarts mit ihren Bannern treten von der Estrade herunter und nehmen hinter dem

König Aufstellung.

Die zwei Ritter Lysiarts nähern sich ihrem Herrn und treten ihm zur Linken.


KÖNIG nimmt das Banner des ihm zur Linken stehenden Herolds, schwenkt es über Lysiart und giebt es dem Herold zurück.

Nimm hin das neue Leh'n, üb' Treu und Recht!

Dir möge Gott nach deinen Werken thun.


Er ergreift das Banner des ihm zur Rechten stehenden Herolds, schwenkt es über Lysiart und giebt es dem Herold zurück.


Die Versammelten Adolar, Pagen, Herolde und Wachen ausgenommen, ziehen die Schwerter und halten sie mit beiden Händen vor die Brust, die Spitze nach oben gerichtet. Nach Beendigung der Belehnung werden die Schwerter eingesteckt.

Lysiart erhebt sich.

Die links stehenden Edlen des Königs ziehen sich nach rechts hinüber zu den andern.

Das Gefolge Lysiarts nimmt die linke Seite.

Die Pagen Lysiarts treten vor und nehmen hinter den Rittern links Aufstellung.


ADOLAR ergreift Euryanthe bei der linken Hand und will sie mit sich fortziehen.

Komm Euryanth'?[48]

EURYANTHE.

Willkommenes Gebot!

Ich folge dir in Not und Tod!

CHOR.

Wir alle wollen mit dir gehn,

Wir all' sind dein mit Gut und Blut.

ADOLAR.

O laßt, kein Auge soll mich sehn!

LYSIART.

Könnt ich nun ganz ihn elend sehn!

CHOR.

Wir alle wollen mit dir gehn,

Wir all' sind dein mit Gut und Blut!

KÖNIG.

Mein Jüngling, du willst von mir gehn?

CHOR.

Wir alle wollen mit dir gehn,

Wir all' sind dein mit Gut und Blut!

ADOLAR.

O laßt, kein Auge soll mich sehn!

LYSIART.

Könnt ich nun ganz ihn elend sehn!

Wie schwelgt' in seiner Qual die Wut!


EURYANTHE.

Vernimm, o Gott, der Unschuld Flehn,

Es wallt dein Kind in deiner Hut.

ADOLAR.

Fern in das Elend will ich wallen,

Wo niemand meinen Namen hört!

KÖNIG.

Mein Jüngling, du willst von mir gehn?

LYSIART.

Könnt ich nun ganz ihn elend sehn,

Wie schwelgt in seiner Qual die Wut!


EURYANTHE.

Vernimm, o Gott, der Unschuld Flehn!

Es wallt dein Kind in seiner Hut!

CHOR.

Wir alle wollen mit dir gehn,

Wir all' sind dein mit Gut und Blut!


Ha, die Verräterin! O Unthat!

KÖNIG.

Mein Jüngling, du willst von mir gehn?

ADOLAR.

O laßt! kein Auge soll mich sehn!

LYSIART.

Könnt ich nun ganz ihn elend sehn!

CHOR.

O Unthat, gräßlichste von allen,

Die jemals auf der Welt erhört!

Der Treue Bündnis frech zerstört,

Von Himmelshöh'n in Staub gefallen!

ALLE.

Du gleißend Bild, du bist enthüllt.[49]

Schnell folgte Strafe deinen Thaten!

Du bist enthüllt, du gleißend Bild!

EURYANTHE.

Hört niemand denn der Unschuld Flehn?


Sie wendet sich flehend und ihre Unschuld beteuernd zu den Rittern.


Alle weisen sie barsch zurück und sie wirft sich dem König zu Füßen.

Der König wendet sich kurz von ihr ab.

Euryanthe wankt nach vorn, sinkt auf die Knie und hebt die gefalteten Hände empor.


ALLE.

Weh! das Maß des Frevels ist gefüllt!

Du gleißend Bild, du bist enthüllt!

Das Maß des Frevels ist gefüllt!

Weh dir! die Lieb' und Treu' verraten!

Du gleißend Bild, du bist enthüllt!

Adolar nähert sich Euryanthe, ergreift sie bei der Hand und zieht sie nach Mitte links ab.

Umzug.

Adolar. Euryanthe.
[50]

Quelle:
Carl Maria von Weber: Euryanthe. Leipzig [o.J.], S. 45-51.
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