8.

[99] Und im Glanz, im bebenden blauen Glast

um zwei strahlende Stahlmaschinen

wiegt der Bergwind Blumen und Bienen;

traumhaft halten zwei Menschen Rast.

Traumhaft haucht ein Birkenstrauch

Duft und Dunkel um sie her.

Im Laube spielt die Luft, bald sanft, bald sehr.

Die Gräser zittern zwischen ihnen.

Ein Mann summt:


Nun laß die goldnen Schatten

durch deine Locken gleiten;

ich will dir eine Krone[100]

aus lauter Licht bereiten.

Wiege mich, wiege mich: du sollst mir Alles sein:

wie ein klein Kindchen bedarf ich dein! –

Siehst du den freien Himmel dort

aus den Klüften steigen?

ich seh eine Freifrau thronen,

ihrem Freiherrn tief leibeigen.

Wecke mich, wecke mich! ich will dir Alles sein:

ich kann dir Gott aufwiegen, bedarfst du mein.


Traumhaft blickt das Weib den Weg zurück.

Um zwei strahlende Stahlmaschinen

wiegt der Bergwind Blumen und Bienen;

jede taumelt auf gut Glück.

Eine Stimme zittert hin zu ihnen:


Siehst du an deiner Krone auch,

Kind, die schroffen Zinken?

Ich sah den freien Himmel, Herr,

in den Klüften versinken.

Hebe mich, halte mich! ich war so tief allein;

laß uns zusammen Alles sein!


Traumhaft haucht der Birkenstrauch

taumelnde Schatten um sie her.

Im Laube wogt das Licht, unendlich sehr.

Himmelluft hüllt zwei Menschen ein.

Quelle:
Richard Dehmel: Zwei Menschen. Berlin 1903, S. 99-101.
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