28.

[139] Und es rauscht nur und weht.

Es liegt eine Insel, wohl zwischen grauen Wogen.

Es kommen wohl Vögel durch die Glut geflogen,

die blaue Glut, die stumm und stet

die Dünen umschlingt.

Da gebiert die Erde im Stillen wohl ihr Empfinden

und nimmt ihre Träume und giebt sie den Wellen, den Winden.

Die Seele eines Weibes singt:


O laß mich still so liegen,

an deiner Brust, die Augen zu.

Ich sehe zwei Wolken fliegen,

die eine Sonne wiegen;[140]

wo sind wir, Du? –


Und es rauscht und weht.

Es liegt eine Düne, wohl zwischen tausend andern.

Es werden wohl Sterne den blauen Raum durchwandern,

der über den bleichen wilden Hügeln steht

und golden schwingt.

Die Seele eines Mannes singt:


Still, laß uns weiter fliegen,

Beide die Augen zu.

Ich sehe zwei Meere liegen,

die einen Himmel wiegen.

O Du –


es rauscht, es weht;

über die heißen Höhenzüge geht

höher und höher der goldne Schein

ins Blaue hinein,

wo das Dunkel schwebt.

Und aus dem Dunkel herüber, auf großen Wogen,

kommt die Einsamkeit gezogen.

Und zwei Seelen singen: Eine Seele lebt,

wohl zwischen den Sternen, den Sonnen, den Himmeln, den Erden,

die will uns wohl endlich leibeigen werden:

es schwellen die Wogen herüber, wie Herzen klingen,

Menschenherzen! – Zwei Seelen singen –

Quelle:
Richard Dehmel: Zwei Menschen. Berlin 1903, S. 139-141.
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