3.

[165] Sonne lacht; die Stoppelfelder schimmern.

An verfärbten Blättern zupft der Wind,

Früchte lüpfend. Heimlich Leben spinnt

weiße Fäden; rings im Blauen flimmert's.

Scheinbar tändelnd hat ein Mann

einem Weibe solch ein zart Geflechte

um ihr schwarzes Haar gewunden –

nun streckt er seine narbige Rechte:


Was doch die Seele brav lernen kann,

hat's nur der Körper erst für gut befunden!

Kaum hab ich mir die eine Hand lahm geschunden,

schon stellt sich meine Linke geschickter an[166]

als je die Rechte! Selbst auf der Jagd:

wie hat mein Vater mich neulich ausgelacht,

als ich so schießen wollte – und dann:

keinen Fehlschuß tat ich beim Kesseltreiben!

Ich kann auch wieder heimlich schreiben;

falls dir's vielleicht mal zuviel Mühe macht,

Frau Fürstin, meine Sekretärin zu bleiben –


Leichthin hat er das Spinngewebe

wieder ihrem Haar entnommen,

leichthin hält er's in der Schwebe;

bis es wegschwebt, flimmernd, wehend.

Wie mit Willen nicht verstehend

sagt sie, nur ihr Atem geht beklommen:


Du tust sehr glücklich mit deinem Spiel.

Fast wie Gaukler, die sich schämen,

Lux, ein Unglück ernst zu nehmen.

Scheint diese Müh dir nicht zuviel? –

Doch den reichen Seelen

muß das Glück wohl fehlen,

das sie Andern zeigen als ein Ziel –


gelt? – Er schweigt. Rings lüpft der Wind

Früchte; heimlich Leben spinnt

weiße Fäden über Zaun und Dach.

Zwei Menschen schaun dem fliehenden Sommer nach.

Quelle:
Richard Dehmel: Zwei Menschen. Berlin 1903, S. 165-167.
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