16.

[191] Rauch und Funken flüstern im Kamin:

Unruh ist, wo Feuergeister hausen,

Unruh, wo die kühlen Wolken ziehn –

horch, die halbentlaubten Pappeln brausen.

Horch – da legt sich das Gemurr der Flammen:

ein Weib nimmt all ihr Selbstgefühl zusammen:


Mir sagt der Geist, wir wollen Ruhe haben!

Und sperr ich dir den Weg zur Tat, nun gut:

du sollst nicht sagen, ich sei dein Wankelmut:

geh hin, sei frei! und nimm mein Hab und Gut

in deinen Dienst wie andre Freundesgaben! –

Was stehst du nun und staunst mich lächelnd an?[192]

Lukas! – welch Rätsel bist du, Mann –


Sie will in seinen Augen lesen;

es blaut ein Glanz darin wie nie zuvor.

Die Flammen geistern hell und laut empor.

Ein Mann bekennt sein stillstes Wesen:


Ja, staun ihn an, den Mann – hier steht er, lacht,

der einst mit furchtbar heiligem Ernst gedacht:

ich bin bös gut, ich bin ein Geist,

an dem die Überlebten sterben,

verführt von ihm, sich vollends zu verderben,

damit der Weltlauf schneller kreist –

so macht sich der gebrechlichste Verbrecher

im Handumdrehn zum Richter und zum Rächer,

bis ihn die Welt in seine Schranken weist.

Das war's; drum hatt'ich Helfershelfer von Nöten.

Drum steh ich jetzt und beichte mit Erröten:

gewichtige Mittel zu nichtigen Zwecken,

das ist die Taktik der Gaukler und Gecken –

ein einzig Fünkchen neue Tugend wecken

frommt mehr, als tausend alte Sünder töten.

Und bist du jetzt noch mein mit Hab und Gut,

dann, Fünkchen, hei: hell lacht die Glut!


Die Flammen murmeln eine Wunder-Erzählung:

zwei Geister feiern ihre Vermählung.

Quelle:
Richard Dehmel: Zwei Menschen. Berlin 1903, S. 191-193.
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