Dritter Auftritt.

[196] HERR VON KIEL allein. Daß so ein dummes Mädchen gar keine Rücksichten nimmt! An mich zu schreiben und durch den betrunkenen Tölpel den Zettel zu schicken, es ist zu arg! Was will sie nur, kann sie nicht warten, bis ich heut Abend zu ihr komme? Er besieht den Brief. Was für Papier, ich glaube von einer Zucker- oder Kaffeedüte! Und welche Krakelfüße! Er öffnet und liest. »Wenn Sie mir wirklich gut sind, so bringen Sie mir heut Abend wieder solch' schönes Bouquet mit. Ich habe mit Wittmeiers Friederike gewettet, daß ich morgen früh in der Kirche wieder den allerschönsten Strauß haben würde, bitte, bitte, lassen Sie mich nun nicht im Stich.« Welche rührende ländliche Schreibfehler, das ist der famöseste Liebesbrief, den ich in meinem Leben gesehn habe! Was es doch für verschiedene Arten von Ehrgeiz giebt! Setzt das Mädchen alles daran, mit einem Strauß aus dem Schloßgarten zu paradiren, – und in der Kirche! – Es ist zu arg, die Freigeisterei reißt auch unter den Wirthstöchtern ein. –[196] Nun Kind, Blumen sollst du haben, der Herr Kommerzienrath zieht ja für dich die seltensten Exemplare.


Quelle:
Eduard Devrient: Dramatische und dramaturgische Schriften, Leipzig 1846, S. 196-197.
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