Elfter Auftritt.

[216] Vorige. Elise. Martin mit Blumentopfen und Sträußen.


LANDRATH. Mein Gott, Elise!

ERNESTINE. Mein Fräulein!

HERR VON KIEL Donnerwetter! Da muß ich heraus aus der Schanze. Er springt aus dem Fenster und läuft zu Elisen.

KOMMERZIENRATH schreiend. Hierher, liebes Kind!

ERNESTINE. Bestes Fräulein, geschwind, um Gotteswillen!

HERR VON KIEL umfaßt sie, zieht sie nach dem Hause. Hierher flüchten Sie sich, ich schütze Sie mit meinem Leben.

ELISE. Was ist denn? Was habt Ihr?

KOMMERZIENRATH. Phylax ist ja toll geworden!

[216] ERNESTINE. Er kommt schon hierher.

KOMMERZIENRATH. Geschwind herein zu uns.

ERNESTINE. Um Gotteswillen, schnell.

LANDRATH. Eilen Sie, sichern Sie sich.

ELISE. Sagt, habt Ihr Alle den Verstand verloren?

HERR VON KIEL. Ziehn Sie sich nur in's Gartenhaus zurück, ich vertheidige den Eingang mit meinem Leben.

ELISE. Ich danke Ihnen, lieber Kiel, verstehe aber all das nicht. Der Hund hat mir so eben all seine Künste auf's freundlichste vorgemacht, und Ihr sagt, er sey toll geworden?

MARTIN. I wie wird er denn toll seyn, der ist vernünftiger wie wir Alle.

KOMMERZIENRATH. Ja ja, Elise, komm doch nur herein! – An der Fliederhecke begegne ich ihm, da schleicht er mit scheuem Blick, mit allen Zeichen der Hundswuth, so matt, so verdächtig um mich herum, daß ich sogleich wußte, was die Glocke geschlagen hatte, und in einem Athem hierherlief; er immer hinterdrein.

ELISE. Onkel, Sie haben sich getäuscht.

MARTIN. Ein bischen schüchtern kann er wohl seyn, denn er hat vorhin wieder meine Katze beim Fell gehabt und da hab' ich ihn ein bischen sehr kalascht.

KOMMERZIENRATH ärgerlich. Hat er schon wieder etwas kalascht, er Tölpel! Was mischt er sich in Privatstreitigkeiten von Hund und Katze? Verläßt das Fenster.[217]

ELISE. Das ist lustig!

HERR VON KIEL. Deliziös! Sie lachen.

ERNESTINE kommt heraus. Also blinder Lärm?

ELISE zum Landrath. Und darum hätten Sie mich beinah mit Ihrem Zweizack aufgespießt? Lacht.

HERR VON KIEL. Ja, das wahre Heldenfeuer ist blind.

LANDRATH für sich. Da hab' ich mich wieder unaussprechlich lächerlich gemacht.

ERNESTINE heimlich. Wie können Sie nur spotten, Fräulein, der Landrath war der Einzige, der –

ELISE. Seyn Sie nicht böse, Vetter, daß ich lache, aber das war gar zu drollig! – Mit der Heugabel – –

LANDRATH wirft die Heugabel fort. O verwünscht!

KOMMERZIENRATH kommt aus dem Gartenhause, zu Martin erbos't. Ich werde ihm bedeuten, wenn er mir den Hund schlägt, daß man ihn für toll halten muß und in Todesangst geräth.

MARTIN. Er soll die Katze gehn lassen.

KOMMERZIENRATH. Warum ist der Hund nicht an der Kette?

MARTIN. Aber bester Herr –

KOMMERZIENRATH. Warum hat er ihm den Schweif abgehauen?

MARTIN. Aber liebster Herr –

KOMMERZIENRATH. O es ist empörend! –

ELISE fortlachend. Nun, meine Herrschaften, zu Tisch![218]

KOMMERZIENRATH. Wird mir kein Bissen schmecken, so hab' ich mich alterirt.

HERR VON KIEL. Erlauben Sie Ihren Arm.

ELISE. Hier, mein tapferer Paladin! Sie gehn. Nein, das vergesse ich in meinem Leben nicht!

KOMMERZIENRATH im Abgehn. Der Esel mit seinem Kalaschen –

MARTIN. Er soll die Katze gehen lassen. Folgt.

ERNESTINE zum Landrath. Kommen Sie nicht mit uns?

LANDRATH. Entschuldigen Sie mich, ich werde nicht bei Tisch erscheinen.

ERNESTINE. Wie?

LANDRATH. Ich kann nicht, ich – o ich wollte, er hätte mich todtgeschossen! Ab.

Quelle:
Eduard Devrient: Dramatische und dramaturgische Schriften, Leipzig 1846, S. 216-219.
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