Zweiter Auftritt.

[40] Gertrud rechts. Anna in der Mitte. Heiling links.


HEILING zu Anna, stürmisch zärtlich.

Willkommen mir auf dieser Stelle!

Den Himmel trägst du über meine Schwelle.

Zum erstenmale unter meinem Dach

Darf ich zum Gruße diese Hände, diese Hände fassen.


[40] Er begrüßt nun auch Gertrud.


ANNA kindlich und froh.

Und gestern habt den ganzen Tag,

Den ganzen Tag Ihr wieder Euch nicht sehen lassen.

GERTRUD.

Es hat uns recht um Euch gebangt.

HEILING zu Anna.

So hat dein Herz nach mir verlangt?

ANNA.

Ei ja! – Ei ja, es hat mich recht verdrossen,

Daß Ihr Euch abermals verschlossen.

Was, ja was habt gestern Ihr gemacht?

HEILING.

Nur an dich, ja nur an dich hab ich gedacht. –

Doch nun soll uns nichts mehr scheiden,

Nie will ich dich wieder meiden.

GERTRUD.

Wie an solcher Zärtlichkeit

Sich mein Mutterherz erfreut!

Ja, in solchen Glückes Schein

Wird mein Alter sorglos sein.

ANNA.

Recht so, laßt die Heimlichkeit,

Die ja keinen Menschen freut.

Stellt das düstre Grübeln ein,

Lernet froh und sorglos sein.

HEILING.

Ja, ich thu mit Freudigkeit,

Was dein holder Mund gebeut,

Nenn ich dich erst, Teure, mein,

Werd ich fröhlich, selig sein.

HEILING spricht. So machst du mir denn heut zum erstenmal die Freude, mein Haus zu betreten; in wenig Tagen führe ich dich hier als Herrin ein, und alles soll dann deinem Willen dienen.

ANNA sich scheu im Zimmer umsehend. Doch sagt nur, was habt Ihr denn für wunderliches Gerät? Es schauert mich, sehe ich an den Wänden umher. Was thut Ihr denn mit all dem verwirrten Kram, vor dem man nicht frei Atem holen kann?

HEILING. Du liebes scheues Kind.[41] Auch sollst du ja hier nicht wohnen. Ein trauliches Gemach soll dich empfangen, wo dich nichts stören noch erschrecken wird. Nach links zeigend. Ich zeig es dir.

GERTRUD. Nun schön, Meister. Ich muß sagen, ein wenig neugierig bin ich, Euer Haus zu sehn.

HEILING. So laßt mich voran gehn, damit du alles deiner würdig findest. Bald rufe ich dich ab. Er geht ab nach links.


Quelle:
Heinrich Marschner: Hans Heiling. Leipzig [1895], S. 40-42.
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