Das gereiste Kleinod

[395] Unterdes die Favorite und Selim sich von den Anstrengungen der Nacht erholten, durcheilte Mangogul mit Erstaunen Cypriens prächtige Gemächer. Diese Frau hatte mit ihrem Kleinode so viel Vermögen erworben, wie ein Generalpächter. Er durchschritt eine lange Reihe Zimmer, eines köstlicher wie das andere, und trat endlich in den Gesellschaftssaal, wo er mitten unter[395] zahlreichen Gästen die Gebieterin des Hauses an einer unermeßlichen Menge von Edelsteinen erkannte, die sie entstellten; und ihren Gemahl an der Gutmütigkeit, die auf seinem Gesichte lag. Zwei Geistliche, ein Schöngeist und drei Mitglieder der Akademie von Banza saßen neben Cypriens Lehnstuhl. Im Hintergrunde des Saales flatterten zwei Stutzer umher und ein junger aufgeblasener Beamter, der seine Handkrausen immer zurecht blies, unaufhörlich an seiner Perücke herumzupfte, seinen Mund beguckte und glückselig immerzu vor den Spiegeln sein geschminktes Gesicht betrachtete. Diese drei Schmetterlinge ausgenommen, bewies die übrige Gesellschaft die tiefste Ehrfurcht für die ehrwürdige Mumie, die sich sehr unanständig dehnte, gähnte, im Gähnen plauderte, über alles urteilte, über alles schlecht urteilte und keinen Widerspruch fand. »Wie ist es möglich,« sagte Mangogul zu sich, der lange nicht mit sich selbst gesprochen hatte, und jetzt vor Sehnsucht danach fast verschmachtete, »wie ist es möglich, daß sie mit diesem[396] linkischen Wesen, mit dieser Gestalt, einem Manne von gutem Hause zu seiner Schande gefallen konnte?« Cypria wollte, man sollte sie für blond halten. Ihre gelbliche, rotgefleckte Haut ahmte einer streifigen Tulpe nicht übel nach. Sie hatte glotzige, kurzsichtige Augen, einen kurzen Leib, eine durchsichtige Nase, ein breites Maul, ein scharfgeschnittenes Gesicht, eingefallene Backen, eine niedrige Stirn, eine magere Hand, keinen Busen und einen spindeldürren Arm. Mit solchen Reizen hatte sie ihren Gemahl zu bezaubern vermocht. Der Sultan drehte seinen Ring gegen sie, und sogleich hörte man etwas kreischen. Die Gesellschaft war im Irrtum und glaubte, Cypria rede durch ihren Mund und wolle eine Meinung äußern. Aber ihr Kleinod ließ sich solchermaßen vernehmen:

»Geschichte meiner Reisen. Ich ward geboren zu Marokko 17000000012 und tanzte auf dem Operntheater, als Mehemet Tripathud, der mich aushielt, von unserm mächtigen Kaiser an die Spitze einer Gesandtschaft an den König von Frankreich[397] gestellt wurde. Ich begleitete ihn auf dieser Reise.

Die Reize der französischen Frauen beraubten mich bald meines Geliebten; unverzüglich griff ich zu Repressalien. Die neuerungssüchtigen Höflinge wollten's einmal mit der Marokkanerin versuchen – so nannte man nämlich meine Herrin; die behandelte sie sehr menschenfreundlich, und ihre Leutseligkeit trug ihr in einem halben Jahre zwanzigtausend Taler in Schmucksachen ein, ebensoviel in barem Gelde und ein kleines möbliertes Hotel. Aber der Franzose ist unbeständig, und ich kam bald aus der Mode. Es war durchaus kein Vergnügen für mich, in den Provinzen herumzuziehen; die großen Talente brauchen auch ausgedehnte Schauplätze: ich ließ also Tripathud gehen und wandte mich der Hauptstadt eines andern Königreiches zu.

A Wealthy Lord, travelling through France, dragg'd me to London. Ay, that was a man indeed! He water'd me six times a day, and as often a night. His prik like a Comet's tail shot flaming darts.[398] I never felt such quick and thrilling thrusts. It was not possible for mortal prowess, to hold out long at this rate: so he drooped by degrees, and I received his foul distilled through his Furie. He gave me fifty thousand guineas. This noble Lord was succeeded by a couple of Privateer-Commanders, lately returned from cruising. Being intimate friends, they fock'd me, as they had fail'd in company: endeavouring who should show most vigour and serve the readiest fire. Whilst the one was riding at anchor, I towed the other by his Tarse and prepared him for a fresh tire. Upon a modest computation, I reckon'd in about eight days time, I received a hundred and eighty shot. But I soon grew tired, with Keeping so strict an account; for there was no end of their broad-sides. I got twelve thousand pounds from them for my share of the prizes they had taken. The Winter-Quarter being over, they were forced to put to sea again, and would fain have engaged me as a tender; but I had[399] mad a prior contract with a Germat! Count.

Duxit me Viennam in Austria, patriam suam, ubi venerea voluptate, quanta maxima poteraur, ingurgitatus sum, per menses tres integros ejus splendide nimis epulatus hospes. Illi, rugosi et contracti, Lotharingo more colei, et eo usque longa crassaque mentula, ut dimidiam nondum acciperem, quamvis iterato coitu fractus, rictus mihi misere pateret. Immanem ast usu frequenti vagina tandem admisit laxe gladium, novasque excogitavimus artes, quibus fututionum quotidianarum vinceremus fastidium. Modo me rusupinum agitabat; modo ipsum eques adherescens inguinibus, motu quasi tulutorio versabam. Saepe turgentem spumantemque admovit ori priapum, simulque appressis ad labia labiis, fellatrice me lingua perfricuit. Et si Veneri nunquam indulgebat posticae; a tergo me tamen adorsus, cruribus altero sublato, altero depresso, inter femora subibat, voluptuaria quaerens per impedimenta transire. Amatoria Sanchesii praecepta[400] calluit ad unguem, et festivas Aretini tabulas sic expressit, ut nemo melius. His a me laudibus acceptis, multis florenorum milibus mea solvit obisequia, et Roman secessi.

Quella città e il tempio di Venere ed il soggiorno delle delizie. Tuttavia mi dispiacevu che le natiche leggiadre fossero là ancora più festeggiate delle piu belle potte; quello che provai il terzo giorno del mio arrivo in quel paese. Una cortigiana illustre si offerisce a farmi guadgnare mille scudi, s'io voleva passar la sera con lei in una vigna. Accettai l'invito; salimmo in una carozza e giungemmo in un luogo da lei ben conosciuto, nel quale due Cavalieri colle braghesse rosse si fecero incontro a noi e ci condussero in un boschetto spesso e folto, dove cavatosi subito le vesti, vedemmo i piu furiosi cazzi che risaltarono mai. Ognuno chiavò la sua. Il trastullo poi si prese a quadriglie, dopo per farsi guatare in bocca, poscia nelle rette. Alla perfine, uno de' chiavatori impadronissi del mio rivale, mentre[401] l'altro mi lavorava. L'istesso tu fatto alla conduttrice mia; e ciò tutto dolcemente condito di bacci alla fiorentina. E quando i campioni nostri ebbero posto fine alla battaglia, facemmo la fricarella per risvegliar il gusto a quei benedetti signori, i quali ci pagarono con generosità. In più volte simili guadagnai con loro sessanta mila scudi; e due volte altretanto con coloro che mi procurava la cortigiana. Mi ricordo di uno che mi visitava spesso e che sborrava sempre due volte senza cavarlo; e d'un altro il quale usciva da me pian piano, per entrare fottilmente nel mio vicino; e per questo bastava fare su e giù le natiche. Ecco una usanza curiosa, che si pratica in Italia!«

Darauf fuhr Cypriens Kleinod in seiner Geschichte halb kongoisch, halb spanisch fort. Es verstand die letzte Sprache ohne Zweifel nicht hinlänglich, um sich ihrer allein zu bedienen. »Man lernt eine Sprache nur,« sagt der gelehrte Afrikaner, der sich lieber aufhinge, als daß er die Gelegenheit vorbeiließe, eine alltägliche Bemerkung anzubringen,[402] »wenn man sie häufig spricht, und Cypriens Kleinod hatte in Madrid fast keine Zeit zu sprechen.«

»Ich rettete mich aus Italien,« sagt' es, »obwohl einige heimliche Begierden mich zurückriefen, in fluxo malo del clima! y tuve luego la resolucion de ir me a una tierra, donde pudiesse gozar mis fueros, sin partir los con un usurpador. Ich reiste nach Alt-Kastilien, wo man ihn auf seine hergebrachte Beschäftigung herabsetzte: das war aber meiner Rache nicht genug. Le impuse la tarea de batter el compas en los bayles que celebrava de dia y de noche; und das tat er so geschickt, daß wir uns miteinander aussöhnten. Wir erschienen am Hofe zu Madrid als gute Freunde. Al entrar de la ciadad, me liegó con un papo vererabile por sus canas. Das war ein Glück für mich; denn er erbarmte sich meiner Jugend und teilte mir ein Geheimnis mit, die Frucht einer sechzigjährigen Erfahrung, para guardarme del mal de que merecieron los franceses ser padrinos por haver sido sus primceros pregones. Dieses Hausmittelchen[403] und meine Liebe zur Reinlichkeit, die ich vergeblich in Spanien einzuführen suchte, bewahrten mich vor allen Unfällen in Madrid, wo nur meine Eitelkeit gekränkt ward. Meine Gebieterin hat, wie Sie sehen, einen sehr kleinen Fuß. Esta prenda es el incentivo mas poderoso de una imaginacion castellana. Ein kleiner Fuß ist in Madrid ein Empfehlungsbrief für jedes Mädchen, que tiene la mas dilatada sima entre las piernas. Ich entschloß mich, nicht länger in einem Lande zu bleiben, wo ich meine meisten Triumphe fremdem Verdienst verdankte, y me arime a un definidor muy virtuoso, que passava a las Indias. Unter den Flügeln Seiner Hochwürden sah ich das gelobte Land, das Land, wo der glückliche Ordensbruder, ohne Ärgernis zu geben, Geld im Beutel trägt, einen Dolch im Gürtel und seine Schöne vor sich auf seinem Pferde. Was für ein entzückendes Leben verbracht' ich dort! Welche Nächte! Götter! welche Nächte! Hay demi! al recordarme de tantos gustos me meo! Algo mas! Ya! Ya! pierda el fentido! tue muero![404]

Nachdem ich ein Jahr zu Madrid und in Indien verbracht hatte, schiffte ich mich nach Konstantinopel ein. Die Sitten eines Volkes gefielen mir nicht, das die Kleinode vermauert, und ich verließ bald wieder ein Land, wo meine Freiheit auf dem Spiele stand. Doch lernte ich die Muselmänner gut genug kennen, um zu bemerken, daß sie sich durch den Umgang mit Europäern sehr gebildet haben. Ich fand bei ihnen die Lebhaftigkeit des Franzosen, das Feuer des Briten, die Stärke des Deutschen, den Langmut des Spaniers und ziemlich starke Spuren des italienischen Scharfsinns. Mit einem Wort, ein Aga an sich ist so viel wert, wie ein Kardinal, vier Herzöge, ein Lord, drein spanische Granden und zwei deutsche Fürsten.

Von Konstantinopel begab ich mich, wie Sie wissen, meine Herren, an den Hof des großen Erguebzed, wo ich unsere liebenswürdigsten Herren herangebildet habe; und als ich zu nichts mehr gut war, warf ich mich an diesen Menschen da fort,« sagte das Kleinod und zeigte mit einer ihm geläufigen[405] Bewegung auf Cypriens Gemahl. »Ein schöner Sturz!«

Der gelehrte Afrikaner schließt diesen Abschnitt mit einer Bemerkung für die Damen, die in Versuchung geraten könnten, sich die Stellen verdolmetschen zu lassen, wo Cypriens Kleinod sich in fremden Sprachen ausdrückt: »Ich würde gegen die Pflicht des Geschichtschreibers verstoßen haben,« sagt er, »wenn ich sie unterdrückt hätte; und gegen die Ehrfurcht, die ich dem weiblichen Geschlecht schuldig bin, wenn ich sie meinem Werk einverleibte, ohne die tugendsamen Damen zu benachrichtigen, daß Cypriens Kleinod sich auf seinen Reisen an einen garstigen Ton gewöhnt hatte und daß es unendlich freier in seinen Erzählungen sei, als irgend etwas, das sie jemals heimlich gelesen haben.«

Quelle:
Denis Diderot: Die geschwätzigen Kleinode. München 1921, S. 395-406.
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