5.

[90] Die Schildwacht schreitet auf und ab

Und pfeift sich ein Liedel unermüdlich.

Hier ist das Gefängnis, schwarz wie ein Grab,

Aber nicht so still, so friedlich.


Es rasselt hinter den Gittern schwer

Von eisernen Ketten und Bändern,

Stöhnen und Ächzen zieht hin und her

Und verhallt an den steinernen Ständern.


In jene Stangen packt eine Faust,

Der mag's noch nicht lange gewohnt sein!

Wie das wilde Gelock im Winde saust,

Wie die Augen blitzen im Mondschein!


Herunter, Bursche! Sonst schrei' ich wach

Den Schließer und seine Genossen,

Dann wirst Du an Dein dunkles Gemach

Noch zärtlicher angeschlossen.
[90]

Fort, strecke Dich in Dein warmes Stroh,

Versuch's wie die andren zu schlafen,

Was grinsest Du, was murrst Du so,

Bist Du mehr, als die anderen Sklaven?


»Nicht besser, nicht schlechter als jene sind,

Ein Verbrecher nach Euerer Sitte,

Denke nur eben an Weib und Kind

Und an meines Vater Hütte.


Und streck' ich mich auf mein faules Stroh,

Dann von meinen Äckern träum' ich,

Die wogten von Halmen und Ähren so,

Die waren so luftig, so räumig.


Nun lieg' ich vielleicht auf meiner Saat,

Die ein anderer ausgedroschen« ...

Still, Kamerad! da kommt der Soldat,

Und meine Latern' ist erloschen.

Quelle:
Franz von Dingelstedt: Lieder eines kosmopolitischen Nachtwächters, Tübingen 1978, S. 90-91.
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