XIX.

Eine Frau, die einen Anfall von einem Schlagfluß bekam, verlohr die Sprache, wiederholte aber das Vater Unser, Ave Maria, den Glauben Gott etc. ohne Anstoß.

[30] Es ist alles an uns so gebrechlich, daß an einem Menschen, der die Triebfedern, welche das Denken[30] bey uns veranlassen, nur ein wenig kennet, die Eigenliebe, wie die reizende Frau Deshoulieres sagt, die allerthörichste Liebe ist. Was für ein Kopf ist der Kopf eines Voltairs! welcher Abgrund von Begriffen; welche erstaunliche Veränderung würde aber entstehen, wenn in diesem so schätzbaren Kopf nur zwanzig Tropfen Blut mit Gewalt in ein Gefäß, das nicht mehr als vier Tropfen annehmen kann, eindringen sollten. Voltaire würde nicht mehr Voltaire, sondern nur ein schlechter Ch-- seyn. Eine Frau vom Stand verlohr durch den Anfall eines Schlag-Flusses die Sprache dergestalt, daß sie kein Wort aussprechen konnte, ausgenommen das Vater unser, Ave Maria, und den Glauben Gott, welche sie ohne Anstoß wiederholte, und ausser diesem ein gutes Gedächtniß und gesunde Beurtheilungskraft hatte.


Wepfer, hist. apoplect. p. 468.


Es ist mir von einem grossen Arzt versichert worden, daß ein gewisser sehr verständiger Mensch, der zu St. Germain von einem Schlagfluß überfallen wurde, bey seinem betrübten Erwachen alles, auch so gar seinen eigenen Namen vergessen hatte, und sich nicht einmal des Namens seiner Aerzte mehr zu erinnern wuste.

Quelle:
[Dumonchaux, Pierre-Joseph-Antoine] : Medicinische Anecdoten. 1. Theil, Frankfurt und Leipzig 1767 [Nachdruck München o. J.], S. 30-31.
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