XXXVI.

Ein Kranker, gegen den man sich stellte, als ob er clystiret würde, und eine Frau, die man beredete, daß sie eine Katze in einer Pastete gegessen habe, die aber davon an einem Durchfall sturbe.

[69] Eine starke Einbildung bringet ganz erstaunliche Zufälle zuwegen, so genau ist das Verhältniß, in welchem die Denkungskraft und die Organa, welche solche bewirken, miteinander stehen. Montagne hat ein ganzes Capitel mit besondern Umständen von dieser Art angefüllet. Ich will einen der besondersten davon hier abschreiben.


»Mancher verlieret, saget dieser vortrefliche Schriftsteller, von dem ich einen jeden Ausdruck unverändert beybehalten will, zufälliger Weise vermittelst der Wirkung der Einbildung, hier den Kropf, welchen sein Kammerad wieder[69] nach Spanien zurück bringet. Dadurch zeiget sich, weswegen man bey solchen Umständen in Gewohnheit gehabt hat, eine vorbereitete Seele zu verlangen. Woher kommt es wohl anderst, daß die Aerzte ihren Patienten mit offener Hand, unter so vielen falschen Vertröstungen seiner Genesung besuchen, als weil sie sich Hofnung zu ma chen haben, daß die Wirkung der Einbildung dem Betrug ihrer Arzneymittel zu Hülfe kommen wurde? Sie wissen, daß einer der Meister dieser Kunst ihnen schriftlich hinterlassen hat: daß es Menschen gegeben, bey welchen der blose Anblick der Arzneyen gewirket hat: und jetzo wird mir der Kopf über eine Erzählung ganz ausserordentlich warm, die mir ein Apotheckers-Bedienter meines seligen Vaters machte, der ein schlechter Mensch und seiner Nation ein Schweitzer, folglich wenig eitel noch lügenhaft war; dieser sagte mir, daß er lange Zeit zu Toulouse einen Kaufmann gekannt habe, der an den Steinschmerzen litte, und deswegen öfters Clystire brauchte, welche ihm die Aerzte auf unterschiedliche Art nach der Beschaffenheit seiner Krankheit verordneten: es durfte bey selbigen, wenn sie herbeygebracht wurden, in der gewöhnlichen Art der Zubereitung nicht das geringste unterlassen werden: vielfältig fühlte er, ob sie[70] nicht zu heiß wären: darauf legte er sich nieder, wande sich um, und ließ alle Umstände und Vorbereitungen machen die bey dem Clystiren gewöhnlich sind, ausser daß er sich die Clystire selbst nicht in den Leib spritzen liese. Nach Vollendung dieser Ceremonie gieng der Apothecker seines Weges, der Patient machte sich wieder zurechte, als wenn er das Clystir wirklich bekommen hätte, und empfande die nämliche Wirkung wie diejenigen, die sich wirklich clystiren lassen; und wenn der Arzt die Wirkung nicht für hinreichend befand, so verordnete er ihm deren noch zwey oder drey andere auf eben solche Art. Mein Zeuge schwöret, fähret Montagne noch ferner fort, daß als die Frau dieses Kranken, zu Ersparung der Kosten, (weil er diese Clystire eben so theuer bezahlte, als wenn er deren wirkliche bekommen hätte) einigemal versuchte, nur blos warmes Wasser dazu zu nehmen, der Erfolg diesen Betrug entdeckte, und daß man, weil diese für unnützlich befunden wurden, wieder zu der ersten Art schreiten muste.« Man muß in der That gestehen, daß dieses ein ganz besonderes seltsames Exempel ist, und daß Montagne nicht sonderlich unrecht hat, wenn er saget, daß die Einbildung die Närrin des Hauses seye. Ihre Unfälle sind aber nicht jederzeit blose Thorheiten, sondern sie hat schon bisweilen auch tödliche Verwirrungen[71] verursachet. Ein gewisser Edelmann bewirthete einstmalen eine gute Gesellschaft bey sich, und rühmte sich drey oder vier Tage nachhero, daß er seinen Gästen eine Katz in einer Pastete zu essen gegeben habe. Ein Frauenzimmer, welches mit dabey zu Gast gewesen war, gerieth über diese Nachricht in solche Verwirrung, daß sie ein Fieber mit einem so heftigen Durchfall überfiele, woran sie einige Zeit nachhero sterben muste.

Quelle:
[Dumonchaux, Pierre-Joseph-Antoine] : Medicinische Anecdoten. 1. Theil, Frankfurt und Leipzig 1767 [Nachdruck München o. J.], S. 69-72.
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