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Ein Bauer, der die Wassersucht hatte, wird durch eine grosse Menge Lauge, die er getrunken hatte, geheilt.

[117] Jener junge Bauer war glücklicher. Er bekam die Wassersucht, nachdem er vorhero länger[117] als zehen Monat lang ein viertägiges Fieber ausgestanden hatte. Er litte vornehmlich an einem unerlöschlichen Durst, und seine Anverwandten weigerten sich ebenfals am mehresten, ihm etwas zu geben, solchen zu stillen, weil sie hoften, dadurch seine Genesung zu befördern. Es geschahe, daß dieser Kranke eines Tages einmal sich allein im Hause befande: er ergriefe diese Gelegenheit aufzustehen und Wasser zu suchen, fand aber dessen keines, weil man solches alles sorgfältig weggeräumet hatte; man hatte aber nicht gleiche Sorgfalt in Ansehung eines Schwenkkessels beobachtet, der voll Lauge war, weil man sich niemals vermuthet hatte, daß eine so eckelhafte Sache jemand würde in Versuchung führen können. Allein dieser junge Mensch fand ein Belieben daran, und fieng an davon zu trinken, und zwar so viel, daß er auf dem Fußboden kriechen muste, um sein Bett wieder zu erreichen: seine Mutter, welche einige Zeit darauf nach Hause kam, fand ihn in den erschröcklichsten Aengsten liegend; sie schickte so gleich nach einem Arzt, dieser, weil er ihn tod krank antrafe, wuste kein schicklicheres Mittel anzugeben, als ihm etwas Fleischbrühe mit einem halben Glaß voll guten Wein geben zu lassen. Dieses schlechte Mittel hatte die Wirkung der allerstärksten Purganz. Der Kranke wurde so heftig davon so wohl von oben als von unten angegriffen, daß man, wer solches[118] nicht gesehen hat, Mühe hat sich nur vorstellen zu können, dieses sind die eigenen Ausdrücke des Arztes, von dem ich diese Bemerkung habe. Nach dieser Ausführung schlief der Kranke eine Stunde lang: er nahm darauf eine Herzstärkung zu sich, und halte nach seinem Schlaf einen so starken Schweiß, daß man ihm seine Wäsche innerhalb zwey Stunden sechs und dreyßigmal verwechseln muste; und was das besonderste ist, so gieng, ungeachtet dieses entsetzlichen Schweisses, der Urin zugleich häufig von ihm: der Bauch fiel alsofort ein, das viertägige Fieber verschwand, und der Kranke wurde kurz darauf wieder vollkommen gesund hergestellet.


Die Enthaltung alles Getränkes ist nicht das einige, wodurch man die schweresten Arten der Wassersucht vertreiben kann; ein gänzliches Fasten kann eben so wohl dafür helfen. Ein Mädchen, das an der Wassersucht litte, und ihres Schmerzens völlig müde war, faste den Vorsatz Hungers zu sterben: alles was ihre Anverwandten und Freunde von ihr erhalten konnten, war, daß sie täglich ohngefähr eine Unze Brod und einen Löffel voll Wein zu sich nehmen wollte; sie entsagte aber bald ihrem betrübten Entschluß: die ausserordentliche Diät, die sie beobachtete, machte sie nach Verlauf eines Monats gesund.

Quelle:
[Dumonchaux, Pierre-Joseph-Antoine] : Medicinische Anecdoten. 1. Theil, Frankfurt und Leipzig 1767 [Nachdruck München o. J.], S. 117-119.
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