LVI.

Ein Kind, welches man im Mutterleibe schreyen hörte.

[119] Jedermann weis die physikalische Ursache, warum ein Kind im Mutterleibe gezwungen ist, das Stillschweigen zu beobachten; allein die Natur pfleget, wie wir schon öfters angemerket haben, sich ein Vergnügen daraus zu machen, uns zu verwirren, und machet es uns bisweilen schlechterdings unmöglich von den besondern Begebenheiten, die sie bewirket, einigen Grund angeben zu können.


Eine Frau, Namens Maria Margaretha Daniel, die mit dem Renat Rondeau, einem Zeugmacher in dem Dorf de Plesse in der Markgrafschaft de Blin, verheurathet war, hörte A. 1686. da sie schwanger war, und das Kind sich in ihr zu bewegen anfienge, an dem Lichtmeßtag das erstemal ein dreymaliges Geschrey aus ihrem Bauch, und seit dieser Zeit machte ihr Kind eben dieses Geschrey alle Tage drey oder viermal, und zwar jedesmal vier oder fünfmal, bisweilen auch acht oder neunmal ganz deutlich wie ein neugebohrnes Kind; es schrie bisweilen mit solcher Heftigkeit, daß man den Magen der Mutter sich aufblasen sahe, als wenn sie hätte ersticken sollen. Der Herr dü Breüil[120] Givron, der diesen Umstand dem Herrn Abt de la Rogue, dem Verfasser des Pariser Tagebuchs, berichtet hat, saget, daß er selbst ein Zeuge davon gewesen seye, und die Stimme dieses Kindes unterschiedlichmalen gehöret habe.


Repub. des Lettres. 1686. August. tom. VII. p. 947.


Ob diese Begebenheit gleich ausserordentlich genug ist, so lieset man doch mehrere dergleichen Beyspiele, die in einem Buch angeführet werden, welches den Titel: Medicina Septentrionalis Collatitia führet, p. 126.

Quelle:
[Dumonchaux, Pierre-Joseph-Antoine] : Medicinische Anecdoten. 1. Theil, Frankfurt und Leipzig 1767 [Nachdruck München o. J.], S. 119-121.
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