Vorrede

Meine Freunde.


Hier habt ihr endlich diejenigen Gedichte, die ihr schon so lange Zeit her von mir verlanget: erinnert euch aber, daß ihr die Verantwortung aufnehmen müsset, wenn sie die gehörige Reife noch nicht erlanget haben. Wenn ich euch dieses entgegen setzte, so pflegtet ihr mich mit dem Horaz abzuweisen:


Vbi plura nitent in carmine, non ego paucis

Offendar maculis.


und ihr sehet itzo, daß ich so gefällig bin, eure Antwort für Ernst aufzunehmen. Wenn ihr wider euer Gewissen geurtheilet habet, so sey dieses eure erste Strafe, sie[3] noch einmal zu lesen, und dann erwartet das Urtheil der Welt, mit mir den Schimpf zu theilen, wenn es eurem Ausspruche keine Ehre machet. Sollten die wöchentlichen Scribenten und Freydenker sich aufmachen, so werde ich euch meine Vertheidigung allein überlassen. Ihr wisset, diese Leute haben den Beruf zu urtheilen. Nach allen Grundsätzen werden sie es für einen Eingriff in ihre Rechte halten, daß ihr euch unterstanden habt, zu urtheilen: aller Billigkeit nach solltet ihr nur nachbethen. Ich hatte anfänglich einen boshaften Einfall wider euch. Ich wollte alle Fehler, die ich nur auftreiben könnte, anmerken, und meinen oder vielmehr euren Kunstrichtern die Wege zeichnen, wo sie euch ohne Vertheidigung überraschen sollten: allein dies war nur ein flüchtiger Einfall; denn ich merkte bald, daß ich gegen euch zu viele Hochachtung und gegen mich selbst zu viele Freundschaft besaß.

Wenn ich überdem aufrichtig reden soll, so hätte ich mich gewiß nicht aus Demuth getadelt. Sich selbst loben,[4] ist zuweilen nicht so hochmüthig, als sich selbst tadeln. Ihr glaubt vielleicht, daß ein Schriftsteller es sehr gut mit euch meynet, wenn er euch eine Menge von seinen Fehlern vorbethet; aber lasset euch sagen: er meynet es zehnmal besser mit sich selbst. Werdet ihr nicht auf die Gedanken gerathen, daß er eine feine Urtheilskraft besitze, und Fähigkeit genug, Fehler zu verbessern, die er selbst gefunden hat? Das will er euch nur sagen; und das hätte ich andern auch sagen wollen, wenn ich bey meinem ersten Einfalle geblieben wäre, mein eigner Kunstrichter zu seyn. Ihr sehet zum wenigsten, daß ich sehr aufrichtig bin.

Demjenigen, der sich über die Noten aufhalten sollte, gebet in meinem Namen den Rath, daß er sie überschlage. Mich dünkt, es ist nichts leichter, als das. Wenn ihr etwan einen Mann, mit einer Donnerwolke um das verlorne Gesicht, mit einem Halstuch, dreymal über einander geflochten, und dann einen Zipfel durchs Knopfloch gezogen, eifern hört; wenn er euch von den schönen Wissenschaften[5] ein solches Galimathias sagt, als ich neulich in einem gewissen öffentlichen Blatte las, und kein poetisches Zeug mehr lesen mag: so macht eine tiefe Verbeugung, und rathet ihm, daß er indeß einen Logarythmen ausrechne, oder zu einem dunklen Worte einer todten Grundsprache das verlorne Stammwort suche; oder laßt ihn neue Redensarten aus den Schriften des Cicero zusammen tragen, und seine handveste Uebersetzung dabey drucken lassen. Ich sage es aufrichtig, von Leuten nach dem Boileau:


Tout herissé du grec, tout bouffu d'arrogance.


mag ich nicht gelesen werden; sie haben viel zu viel gelernt, mich zu verstehen.

Das ist eine sehr lange Vorrede vor drey Gedichte! Und doch wird sie noch etwas länger werden. Bisher habe ich von andern geredet; itzo werde ich erst von mir selbst reden: und ihr habt es als eine große Sittsamkeit auszulegen, wenn ich noch erträglich kurz bin.[6]

Das erste Gedichte veranlassete das Vergnügen vieler angenehmen Tage, und die Freundschaft, die ich auf dem Landgute von den Eigenthümern genoß. Es beschreibt einige Seiten der Natur, so wie sie aus einem bestimmten Gesichtspunkte in die Augen gefallen sind. Es begreift das Vergnügen eines Tages. Es hätte vielleicht ein Frühlingstag heissen können? Ich glaubte aber dieses der Liebe meiner Freunde schuldig zu seyn, daß ich meinem Gedichte den Namen desjenigen Ortes gab, wo ich so vieles Vergnügen genossen hatte. Die Erfindung der Verwandelung einer Nymphe in einen Bach, der in dieser Gegend unter dem Namen der Au bekannt ist, gehöret dem Ovid. Ich bin versichert, daß ihr die Nachahmung liebet. Sollte jemand diese einen Diebstahl nennen, so saget ihm, daß Pope ein gleiches Verbrechen zu verantworten habe; und schlaget ihm seinen Windsorwald auf.

Die Idee des zweyten Gedichts an den Hrn. M** ist aus einem Briefe des Bollingbroke genommen. Der Brief nennet sich Letter of the true use of study and Retirement.[7]

Das dritte ist eine Zwischenfabel, und ein Fragment eines großen Gedichts. Ich wünschte, diese Probe bekannt zu machen, um zu erfahren, ob ich Kräfte genug hätte, meinen Plan auszuführen. Die Materie des Ganzen ist ein Stück der israelitischen Reise durch die Wüste, eine Erzehlung der Wunder in Egypten, des Ausgangs, und endlich der Gebung des Gesetzes: eine Materie, die ich für ein Heldengedicht so erhaben und würdig halte, als irgend eine andere. Ihr sehet also, daß es noch nicht zu seiner völligen Reife gelanget ist. Haltet euer Wort, und vertheidiget euer erstes Urtheil.


Rendsburg, den 2 December, 1775.


Der Verfasser.

Quelle:
Johann Jakob Dusch: Drey Gedichte, Altona und Leipzig 1756, S. 3-8.
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