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[97] Von Eris, der streitbaren Schwester geleitet,
Von Hermes, dem Gotte der Stürme befreit,
Erscheint uns jetzt Ares, der ungestüm reitet,
Er fühlt sich zu jeder Verheerung bereit.
Er hetzt mit dem Sturme, der Eichen entwurzelt,
Und Windwirbel wälzen sich hinter ihm her,
Es sind schon Begleiter in Schluchten gepurzelt,
Die Thäler durchrast bald ein schreckliches Heer.
Als stürmisches Dröhnen die Trifte durchschallte,
Erweckten Trompeten die schlummernde Wuth,
Und als dann der Marssang in Halden erhallte,
Berauschte die Mannen barbarischer Muth.
Das Land überfluthen rebellische Stämme,
Es stürzen sich Völker auf fruchtbare Flur.
Die Anhöhen krönen lebendige Kämme,
Es wechselt der Berge bewegte Kontur.
Jetzt schleudert man Steine auf steiles Gemäuer,
Mit Brandfackeln dringt man zum Hauptthor hinan.
Es helfen die Winde, sie nähren das Feuer
Und stecken im Stadtgebiet Brandherde an.
Verreckende Menschen durchwühlen Gebeine
Verstümmelter, röchelnder Krieger am Feld,
Und brennender Städte wildlohdernde Scheine
Beleuchten die Schlachtnacht, die Ares durchgellt.
Den Stadtwall verkleiden gigantische Leitern,
Es thürmen sich Lanzenquadrate steil auf,
Doch scheint rings die Angreifertaktik zu scheitern,
Verschnaufende decken die Erde zu Hauf.
[97]
Der Kriegsgott zieht lachend durchs ärgste Gedränge,
Es freut ihn das Blitzen von Lanze und Speer,
Es dröhnen jetzt überall Schlachtengesänge,
Und hinter ihm taumelt ein klapperndes Heer.
So wird noch der Grause als Traumbild von Kriegern
Im letzten Momente des Lebens gesehn:
»Ohmacht unsere Kinder zu Rächern und Siegern!«
Beginnen dabei, die da fiebern, zu flehn.
Ein sterbender Fürst sieht sein Volk nun in Ketten
Und stumm schon, wie Schemen, in fremde Frohn ziehn,
Man kennt ihn nicht, niemand mehr denkt ihn zu retten,
Wie herzlos macht alle der eigene Ruin!
Der Lichtschein der Fackel der Eris beleuchtet
Entsetzliche Szenen; ein Krieger erschlägt,
Von Blut und von Angstschweiß beschmutzt und befeuchtet,
Den eigenen Genossen, der Werthwaffen trägt.
Die Todten ziehn fort, ohne Abschied zu nehmen,
Der Zug ist noch länger und ärger gepreßt,
Die Krieger verbluten, umgaukelt von Schemen,
Und plötzlich entsteigt zwischen Freveln die Pest.
Sie schließt sich an alle veränderten Farben,
In schwarzen Gewändern durchstreift sie die Nacht;
Harpyen, die schreckliche Gifte erwarben,
Verschleppen was heimlich die Greisin entfacht.
Sie stiegen von dannen, das Nahen der Schaaren
Giebt niemals ein Krächzen und Auflodern kund;
Wir können sie nirgends beim Brüten gewahren,
Sie nisten am liebsten in röchelndem Mund.
[98]
Sie fliegen stets vorsichtig, durchsichtig, leise
Durch Strecken, die eben der Kriegsgott verheert,
Dann ziehen sie immer noch weitere Kreise,
Und wo sie erscheinen, wird eifrig bekehrt.
Es lassen Propheten oft Jünglinge schlachten,
Die werden den Numen zum Opfer gebracht,
Sie trachten ein Sühnungsgebot zu beachten
Und hoffen, daß Zeus holde Milde erwacht.
Von Betenden, die die Altäre umhocken,
Wird eifrig Erlösung vom Übel ersteht;
Sie möchten den Göttern ihr Mitleid entlocken
Und fühlen sich plötzlich vom Pesthauch umweht.
Ein Jüngling verkam bei der schrecklichen Seuche,
Sein Grab hat ein Mädchen für sich mitbegehrt,
Doch waren im Lande die Opfergebräuche
Verzweifelter Bräute und Wittwen verwehrt.
»Verweigert mir jemand mit Dir fortzuschlafen,
So schwöre ich Rache zu nehmen!« Beschließt
Das Mädchen fanatisch: »Auch mich will ich strafen,
Wie Euch, die Ihr stumpf meinen Buhlen verließt!«
Die Rasende sieht man mit Brandfackeln rennen.
Sie wirft sie in Scheunen. Die Flamme erloht.
Jetzt fängt schon der Seuchenherd an abzubrennen.
Und ringsum die Völker verschont nun der Tod!
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