Die Apokalypse

[473] Mein Grab ist keine Pyramide,

Mein Grab ist ein Vulkan!

Das Nordlicht strahlt aus meinem Liede,

Schon ist die Nacht mir Unterthan!

Verdrießlich wird mir dieser Friede,

Der Freiheit opfere ich den Wahn!

Die Künstlichkeit, durch die wir uns erhalten,

Den Ararat, wird meine Gluth zerspalten!


Der Adam wird zu Grab getragen,

Und übrig bleibt sein Weltinstinkt.

Der baut sich auf aus tausend Marmorsagen:

Ich selbst, ein Schatten, der zur Arbeit hinkt,

Vermag blos um den Ahnen tief zu klagen,

Da er durch mich, im Schacht, um Fassung ringt.

Das Grab, das er sich aufbaut, ist sein Glaube,

Daß ihm Vergänglichkeit sein Urbild nimmer raube!


Ich fühle, stolzer Erdenvater,

Dein Leid, das die Gesetze sprengt:

Ein Drama denkst Du im Theater,

Das tausendstufig Dich umdrängt.

Du athmest Freiheit aus dem Krater,

Der furchtbar sich zusammenengt:

Auf Deine Grabesruhe trachte zu verzichten,

Dann wird Dein Herzensstern die Welt belichten!


Ich selber bin ein Freiheitsfunke,

Das Gleichgewicht ertrag ich nicht!

Hinweg mit dem Erfahrungsprunke,

Ich leiste auf mein Grab Verzicht![473]

Die Gnade schäumt im Urgluthtrunke,

Als Übermaaß ins Weltgericht.

Doch das will ich mit meinem Schatten halten,

Ich träume Euch, befreite Erdgewalten!


Mein Grab ist keine Pyramide,

Mein Grab ist ein Vulkan.

Mein Hirn ist eine Funkenschmiede,

Das Wert der Umkehr sei gethan!

Kein Friede klingt aus meinem Liede,

Mein Wollen ist ein Weltorkan.

Mein Athmen schaffe klare Taggestalten,

Die kaum erschaut, den Ararat zerspalten!

Quelle:
Theodor Däubler: Das Nordlicht. Teil 2, München; Leipzig 1910, S. 473-474.
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