Gott bescheret über nacht.

[1] Vnsere ältern haben Gott alle ding mit disen worten heymgestelt / vnnd jm die sorg jres leibs / lebens vnnd narung / allenthalben befolhen / Denn mit dem wort /Gott bescheret über nacht / ist die bauchsorg hindan gesetzet / vnn wirt Gott lauter vertrawet / er werde vns bescheren / was wir bedörffen zu vnser vnder haltung / Wie man sagt: Ja was wir nit haben / das beschere vns vnser Herr Gott.

Bescheren aber heyßt auch auß genaden / vnd nit auß pflicht eynem etwas geben / oder schencken / Wie dann die mütter in Teutschen landen jre kinder darzů gewehnet haben / daß sie in des heiligen Christs vnnd S. Niclaus nacht den kindern heymlich etwas geschencke inns bei oder kleyder der kinder stecken / vnnd des morgens zu den kindern sagen / Der heilig Christ / oder S. Niclaus habs jnē bschert / vnn weil sie geschlaffen haben / für sie gesorgt. Vff dise weiß sagt auch Christus / Mat. vj. Ir solt nit sorgen / noch sagen: Was wöllen wir essen / trincken / vnnd anziehen: Ewer vatter der im himel ist weyß / daß jr des alles bedörffet / Allein heyßt er sein jünger / sie sollē jn bits weise des selbigen erinnern / vnn sprechē: Vatter / vnser täglich brot gib vns heut / das ist / Gib vns leibs notturfft / wie man noch teglich siht wie got so reichlich alle welt mit gütern / leibs narung / vnd aller notturfft versorgt / vnn gleich überschütt / dz es auch offt daher kōpt / daher es niemand gedacht het / vnn geschicht zu gleich gůten vnd bösen / ja eim schalck vil ehe dann eynem frommen / wie das Sprichwort lautet / Ye erger schalck / je besser glück. Die Sonne scheinet / der himel regnet / das korn wechst / vnd des nachts / wann wir růhen vnnd[1] schlaffen / so behütet Gott das alles / vns zu nutz / on vnser zůthůn / das ist dann Gottes bescheren.

Vnnd es wöllen etliche sagen / es wachsen nit so vil Garben gerteyds auff dem feld / als menschen sind auff erden / noch werden wir alle mit brot also versorget / daß wir stäts übrig / vnd im vorrath behalten. Es ist auch gewiß / daß der hundertst mensch nit den acker bawet / Dann wo tausent Bauren seindt auff allen Dörffern / so seind jr xx. tausent in Stetten / vnd mehr. Dieweil dann nun so wenig leut den acker bawen / vnd für eynen menschen / kaum ein eynige Garb wechßt / deren er doch wol hundert bedarff / das jar über brots gnůg zuhaben / so můß eygentlich die täglich erfahrung zeugniß geben / vnd sprechen: Gott beschert über nacht / Wir wissen nit / wie vns Gott ernert.

Keyser Friderich / Ertzhertzog zu Osterreich / Keyser Maximilianus vatter / auff dem Reichs tag zu Cöllen am Rhein / hat das grosse volck / so dazumal zu Cöllen / auß allen Ländern / Inseln / vnd Königreichen versamlet / zelen lassen / auch das brot / darmit man gegen abent / das volck speisen wolte. Vnd da man alle häupter der frembden vnnd einheymischen gegen den broten / welche sie allenthalben in der Statt gefunden / angeschlagen hatte / hat allzeit das vierdt vnn fünffte haupt auff ein pfenning brodt getroffen. Des anderen tags hat der Keyser widerumm durch seine verordneten fragen lassen an allen örtern / ob des brots genůg sei gewesen / vnd hat sich befunden /daß allenthalb noch brots genůg / vnnd übrig auch auff den andern tag gewesen ist. Diß ist mein gezeug Herr Thomas Eschius / ein man von xc. jarn / der Artznei Doctor / eyn Cölnisch mann / der solchs die zeit zu Cöllen gesehen vnd gehört hat. Also bezeugen dise erfarung vnd Sprichwort / himel vnd erde / daß es war sei / Got bescher über nacht / Noch wil die welt verzweiffeln an Gott / er werd sie lassen hungers sterben / so wir doch für augen sehen / daß Gott das gantz jar über / nach seiner ordnung / alles dings genůg gibt / vnnd auffwachsen laßt Daß also alle creaturen wider den vngläubigen menschen am Jüngsten tag werden zeügniß geben seins vnglaubens / daß er Gott weder vertrawt noch geglaubet habe. Dann alle creaturen zeygen an Gottes güte / ein apffel auff dem baum / das korn auff dem felde / sagt vnnd erinnert einen jeglichen menschen also: Sihe mensch / hie siehe ich auß Gottes geschöpff / welches er dir zu gůt gemacht hat / ich sol dir dienen vnd anzeygen / du solt nit zweiffeln / Gott wil dich erneren / vnd keinen mangel leiden lassen. Also auch das korn: Sihe mensch / du wirffst ein körnlin inn den acker / vnd ich überkomme von dem selbigen zwen oder drei stengel / vnd ein ieglicher stengel bringt dreissig / sechtzig /ja offt hundert[2] körner auß vnsers schöpffers befelch /dir zur narung. Wo du nun Gott nit trawest / so wil ich am entlichen Gerichts tag über dich zeugen / ich hab dich solcher wolthat erinnert / vnn du bist für über gangen / vnd Gott weder getrawet noch geglaubet / darumb wil ich dein Richter sein / dann Gott bescheret über nacht.

Quelle:
Egenolff, Christian: Sprichwörter / Schöne / Weise Klugredenn. Darinnen Teutscher vnd anderer Spraach-en Höfflichkeit [...] In Etliche Tausent zusamen bracht, Frankfurt/Main 1552. [Nachdruck Berlin 1968], S. 1-3.
Lizenz:
Kategorien: