Mann sihet dem man an / was er ist vnd kan.

[305] Die gemüt spiegeln sich gegen einander.

Die scham ist inn augen. Das angsicht verräth den man. Mann sihet ann farben vnd flug wol / was für ein vogel. Kunst / tugent / thorheyt vnnd boßheyt /mann verhele es wis mann jmmer wölle / so sihet mans doch dem mann inn augen an / was er ist vnd kan. Dann wie es vmb einn menschen inwendig steht /das zeygt das gewissen bald den augen an / vnd ergeußt sich das gemüt in alle glider / daß der mensch gemeynglich also sihet / gehet / augen vnd stirn hat /wie er ist / vnd wie sein hertz stehet. Mann spricht: Er ist schon halb todt. Zeitiger dieb verräth sich selbs. Das angsicht ist ein verräther. Schuldt tödtet den man.

Wann die byr zeitig ist / so fellt sie ins kat. Zeitigen dieb erlaufft ein hinckender scherg.

Wie nun die schand vnd laster böß zuuerbergen sind / Also sind auch andere affect / als forcht / betrübnuß. Dann da geht der mensch erschlagen vnd geschweifft herein / vnd steht vmb alle glider / wie es vmb das hauptglid / das hertz / stehet. Die augen stecken voll zäber / der mund erbleycht / die füß mögen den leib kaum ertragen / die händ wöllen nit schaffen. Ist aber der mensch frölich / eines gůten gewissens /der nicht auff jm hat / der hat ein frölich angsicht /sihet iederman holdselig an. Ist er weise / sein augen /kleydung vnd gang / zeugen vom mann / Er ist grůßbar / tugentsam / räthlich / voll lieb trew vnd gnad.

Es kan nit alleyn die zung / sonder alle glider[305] am menschen reden / vnnd von jm zeugen / doch ist die zunge der beste spigel vnnd dolmetsch des hertzens /aber nit alleyn / sonder der gang / kleydung / händ /füß / augen / stirn / vrtheylen auch vom menschen /vnd verrathen offt den man / was in jm ist / ob er ein narr / weise / gelert / dieb / böß oder gůt sei. Daher spricht Syrach / Daß nicht alleyn die glider / sonder auch die kleyder vom mann zeugen. Wann sich die Jungfraw erspitzet / erreißt / vnd zum tantz vffmutzt /so kan man leicht abnemen / wo es ligt / oder was sie gern hett / Sie nem einn mann für ein seel / das thet der Teuffel nit.

Zum andern / wie sich die hertzen gegen ein ander spiegeln / dauon Salomon in Prouerb. Hab acht auff dich selbs so wirstu mit dem du handelst redest / oder vor dem du stehest / ansehen / vnd dein hertz wirt dirs sagen / wie er gegen dir gesinnet / ob er gleich nit mit dir redt / oder anders redet dann jm zuhertz ist / so wirstu doch weiter sehen. Dann es spiegeln sich die hertzen gegen einander / vnd ist ie eins des andern spiegel / daß du empfindest in deinem hertzen / ob ers gůt meyne / vnnd dir wol wölle / oder nicht / das wirstu jm an all seinen geberden / reden / farb / gestalt abmercken / vnn ann augen sehen. Ob nun dise zeychen vnnd dolmetschen / das ist / mund / augen / geberd / gestalt / alle fählten / so wirt dirs dein hertz sagen / so du auff sein ansag / stupffen etc. merckest. Dann hertzen sehē hertzen / vnn spiegelt sich gemeyngklich dein hertz gegen dem / der mit dir redet vnd handelt / Steht desselbigen hertz recht / du empfindest es / dein hertz sagt dirs / vnnd spiegelt sich also gegen deines nechsten hertz in dir. Ist dann dein hertz vnd aug ein schalck / das mein sols wol empfinden / daß du es nit recht vnd gůt meynest / Got geb wie du redest / vnnd můst zuletzst sagen: Es hat mirs mein aug / hertz gesagt / ich habs wol empfunden /aber ich bin ein thor gewesen / vnnd meinem hertzen nit wöllen volgen. Hett ich meim hertzen geuolgt / so hett ich recht thon. Vndern blinden ist der einäugig könig. Vnder den baurn pfeifft auch ein hirt wol.

Quelle:
Egenolff, Christian: Sprichwörter / Schöne / Weise Klugredenn. Darinnen Teutscher vnd anderer Spraach-en Höfflichkeit [...] In Etliche Tausent zusamen bracht, Frankfurt/Main 1552. [Nachdruck Berlin 1968], S. 305-306.
Lizenz:
Kategorien: