Hunger leidt kein verzug.

[307] Der hunger ist ein Vnger. Der bauch laßt sein nit vergessen. Der bauch ein grosser schalck / macht vil schelmen. Der bauch ist ein böser rathgeb. Der bauch lert alle künst. Es geschicht alles von des bauchs wegen / was die gantz welt handelt. Der bauch murrt vnd billt on vnderlaß / Der seine recht so eben haben wil / daß er alle glider zu allen wercken antreibt / nur daß jm gnůg geschehe. Da treibet er die faulen zu allerley arbeyt / vnnd so sie nit wöllen arbeyten / so frißt er alle glider / vnd treibt sie biß ann galgen / Ja henckt sich mit dran.

Der bauch macht dieb / hůrn / mörder / verrůrhet /dann der bauch ist weych vnn ein beynloser gott / der gern ißt / aber nit gern trischt / So hat er kein ohr /händ / füß oder aug / sond thůt nur ein loch vnd maul auff / verkocht vnd verzert alles was all welt gewinnet vnn erschirrt / verdawet[307] was mann hinein schirrt. Ja es faren offt eim durch den bauch / Ross / wagen /hauß / hof / wisen äcker / dann spricht mann: Es ist jm durch den bauch gewischt. Mann sol keinn hungerigen ansprechen / oder grüssen.

Ob dem ersten gericht sol mann nichts fragen. Das ist / er hat nit der můß daß er vil mit dir schwetze /oder ein stenderling halt / biß du vor seinn zornigen billenden bauch stillest. Zu gůtem Teutsch / Mann sol hungerige nicht mit worten / vnd mit geschwetz lang auffhalten / sonder zu essen geben / vnd dann mit jhn disputiern. Nach dem essen ist gůt rath haben. Vor essens wirt kein tantz.

Quelle:
Egenolff, Christian: Sprichwörter / Schöne / Weise Klugredenn. Darinnen Teutscher vnd anderer Spraach-en Höfflichkeit [...] In Etliche Tausent zusamen bracht, Frankfurt/Main 1552. [Nachdruck Berlin 1968], S. 307-308.
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